Thomas Lich
Unfallforschung – Als Maßstab dient die Realität: Entwicklung von Sicherheitssystemen auf Basis von realen Verkehrsunfällen
"Wer auch nur eine Stunde seiner Zeit zu vergeuden wagt, hat den Wert des Lebens noch nicht erkannt" – Charles Darwin

Als Fachreferent und Teamleiter der Unfallforschung trage ich die weltweite Gesamtverantwortung für die Bosch Unfallforschung.
Aus Verkehrsunfällen leite ich die strategischen Ziele für Produkte der Geschäfts- und Regionaleinheiten von Bosch ab. Neben meinen internationalen Aktivitäten arbeite ich in Gremien und in öffentlich geförderten Projekten mit.
Mein derzeitiger Forschungsschwerpunkt liegt in der Konzeptionierung einer Simulationsumgebung zur Bewertung von automatisierten Fahrfunktionen. Dazu baue ich eine Brücke zwischen Daten aus Verkehrsbeobachtungen und am Unfallort erhobenen Daten.
Lebenslauf
- Unfallforschung: Analyse, Bewertung und Simulation von rekonstruierten Realunfällen aller Fahrzeugarten. Übernahme der Team- und Projektleitung in 2011
- Quergeschwindigkeitsschätzung: Serienentwicklung eines Quergeschwindigkeitsschätzers zur verbesserten Auslösung von Rückhaltesystemen bei einem Seitenanprall oder einem Überrollvorgang in einem PKW
- Insassenklassifizierung: Serienentwicklung zur weltweit ersten Insassenklassifizierung für die adaptive Auslösung passiver Rückhaltesysteme bei Bosch.
- Reifendiagnose: Forschung und Entwicklung zur Reifendiagnose von schweren Nutzfahrzeugen mittels neuronaler Netze bei der Daimler AG.
Ausgewählte Publikationen

Sulzberger et al. (2019)
- Sulzberger L, Lich T., Schmidt D. Dr., Scheschko T.
- VDI safe.tech

Moennich et al. (2018)
- Moennich J., Lich T, Georgi A., Maier O. Dr.

Lich et al. (2018)
- Lich T., Mönnich J., Georgi A., Kumaresh G.
- 14th International Symposium and accompanying Exhibition on Sophisticated Car Safety Systems

Freienstein et al. (2017)
- Freienstein H. Dr., Lich T., Höpfner H. Dr., Drews F. Dr., Österle F. Dr., Klier W. Dr.
- VDI conference for vehicle safety
Interview mit Thomas Lich

Fachreferent und Teamleiter der Bosch Unfallforschung
Erzählen Sie doch mal: was fasziniert Sie an der Forschung?
Die Faszination der Forschung liegt darin, neue zuvor nicht beschrittene Wege zu gehen.
Gerade als Querdenker liegt der Reiz darin, durch die Kombination verschiedener Wissensgebiete neue Ideen zu generieren und die Machbarkeit nachzuweisen.
Was macht die Forschung bei Bosch besonders?
Im Gegensatz zum Fahrzeughersteller kann ich bei Bosch die gesamte Wertschöpfungskette von der Idee über die Auslegung bis hin zur Produktentwicklung unterstützten.
Das erfordert Geduld und Ausdauer, aber dafür ist das Ergebnis umso zufriedenstellender, da man seinen Beitrag zum Endprodukt sehen kann.
Zudem ermöglicht mir die Bosch Forschung die Zusammenarbeit im internationalen Umfeld. Dies zwingt mich einen anderen Blickwinkel einzunehmen, um globale Lösungen zu entwickeln.
Woran forschen Sie bei Bosch?
Ich verantworte die weltweite Unfallforschung bei Bosch, und diese stellt die Grundlage für neue Sicherheitssysteme aller Arten der Mobilität dar. Dabei muss ich verschiedene Themengebiete abdecken:
Zum einen analysiere, simuliere und bewerte ich real erhobene Verkehrsunfälle. Ziel ist es, die regionale Produktstrategie und –entwicklung zu unterstützen. Beides kann aus dem Unfallgeschehen abgeleitet werden, und zwar vom Pedelec bis hin zum Schwerlaster.
Zum anderen geht es darum, die Auslegung des Produkts und dessen Wirksamkeit zu bewerten. Also, welche Eigenschaften muss z.B. ein Sensor haben oder worauf muss eine Funktion besonders achten, damit eine maximale Anzahl von z.B. Unfällen verhindert werden kann.
Voraussetzung dafür ist, eine entsprechende Datenquelle zur Verfügung zu haben. Da kann es schon mal sein, dass ich ein Projekt zur Unfallvororterhebung initiiere und in der Anfangsphase vorort begleite. So geschehen in Indien, China und Brasilien oder wie derzeit in der ASEAN Region.
Was sind die größten wissenschaftlichen Herausforderungen in Ihrem Forschungsfeld?
Die Auswirkungen des automatisierten Fahrens auf das Verkehrsgeschehen der Zukunft abzuschätzen.
Die Ursachen eines Unfalls sind sehr komplex, da treffen die verschiedensten Faktoren zusammen. Die Automatisierung führt zu einer Verschiebung von Unfallursachen, insbesondere wenn es zur Interaktion zwischen konventioneller Mobilität auf automatisiert fahrende Fahrzeuge kommt.
Die Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen der Zukunft gilt es zu erforschen und verlässlich zu prognostizieren.
Dabei ist es unabdingbar, neue Datenquellen beispielsweise aus Verkehrsbeobachtungen mit Realunfällen zu kombinieren. Die Bewertung der Auswirkungen erfolgt dann mittels Verkehrssimulationen. Dies ist erforderlich, da nur so die zeitlichen Wirkzusammenhänge verstanden werden können.
Wie werden Ihre Forschungsergebnisse zu "Technik fürs Leben"?
Beispielsweise reicht dies vom verbesserten Seitenaufprallschutz in einem PKW über die Motorradstabilitätskontrolle beim Zweirad bis hin zu einem System zur Kollisionsvermeidung in Begegnungsunfällen, an deren Entwicklung ich beteiligt war.
Darüber hinaus habe ich die Unfallforschung als Methodik zur Bewertung des Verkehrsgeschehens in Entwicklungsländern etabliert. Damit konnte ich nicht nur aufzeigen, wie viele Unfälle oder Verkehrstote in den Industrieländern, sondern auch in den sich entwickelnden Länder mit ihren spezifischen Bedarfen durch die Sicherheitssysteme von Bosch vermieden werden können. Damit unterstützt die Unfallforschung, dass "Technik fürs Leben" einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leistet.
Ihr Kontakt zu mir
Thomas Lich
Fachreferent und Teamleiter der Bosch Unfallforschung