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Geschichte

Mehr als hundert Jahre eng verbunden. Die Robert Bosch AG in der Schweiz

Die neue Welt mitgestalten

Der Ausstellungsstand des Verkaufshauses Genf zeigt die neuesten Bosch-Produkte, 1921.

„Wir haben mit ihr unsere Beziehungen zum Schweizer Markt aufs neue befestigt…“ verkündete die Mitarbeiterzeitung „Bosch-Zünder“ 1920. Gemeint war die am 8. September erfolgte Gründung der schweizerischen Tochtergesellschaft Robert Bosch S.A. Genf-Zürich, der ersten Tochtergesellschaft nach dem Krieg außerhalb Deutschlands.

Die Gründung der Robert Bosch S.A.

Sie haben sich fein gemacht. Die versammelte Belegschaft des Verkaufshauses Genf, Genf 1914.
Sie haben sich fein gemacht. Die versammelte Belegschaft des Verkaufshauses Genf, Genf 1914.

Die neue Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich und einer Zweigniederlassung in Genf löste die schweizerische Privatfirma Robert Bosch in Genf ab, die dort schon seit 1910 die Stuttgarter Firma vertreten hatte. Zuvor hatte ab 1904 der Ingenieur August Euler den Vertrieb der Bosch-Produkte in der Schweiz übernommen. Im Handelsregisterauszug vom 2. Oktober 1920 wurden die Aufgaben der neuen Firma benannt: „Herstellung und Vertrieb von Waren aller Art, die in das Gebiet der Elektrotechnik und Feinmechanik fallen…“ Insbesondere sollten die Handelsgeschäfte der alten Privatfirma fortgeführt werden. Zu diesem Zweck wurde im April 1920 in Zürich ein neues Verkaufshaus mit einer Einbauwerkstatt eröffnet, während das bereits bestehende Genfer Haus schon im Jahr zuvor wieder seine Geschäfte aufgenommen hatte.

Vor dem Ersten Weltkrieg war für Robert Bosch die Welt der Markt gewesen, doch danach war der Auslandsbesitz größtenteils beschlagnahmt oder enteignet. In Deutschland hatte die Inflation schon 1919 eingesetzt. Wegen Kriegsschulden und Zahlung von Reparationen in unvorstellbarer Höhe wurde die in Umlauf gebrachte Geldmenge ständig vergrößert. In dieser Situation unternahm das Unternehmen alle Anstrengungen, die Produktion aufrechtzuerhalten und neue Kunden zu gewinnen. Die neue Tochtergesellschaft in der benachbarten, neutralen Schweiz wurde zum wichtigen Außenposten. Als ihre Geschäftsführer wurden zwei erfahrene Mitarbeiter, die beiden ehemaligen Leiter des Genfer Verkaufshauses, Paul Mumprecht und Daniel Rathgeber bestellt.

Die ersten Geschäftsführer der Robert Bosch AG: Das Duo 1920: Paul Mumprecht (links) und Daniel Rathgeber (rechts), 1920.
Die ersten Geschäftsführer der Robert Bosch AG: Das Duo 1920: Paul Mumprecht (links) und Daniel Rathgeber (rechts), 1920.

Der schwere Anfang

In Zürich wurde 1920 neue Verkaufshaus in der Badener Straße fertiggestellt, Zürich 1934.
In Zürich wurde 1920 neue Verkaufshaus in der Badener Straße fertiggestellt, Zürich 1934.

Zunächst liefen die Handelsgeschäfte in der Schweiz nur stockend wieder an. Zum einen traf die Nachkriegsdepression der frühen 1920er Jahre auch die Schweiz, zum anderen bewirkte der starke Schweizer Franken, dass die Schweiz kaum noch ihre Produkte in benachbarte Länder, deren Währungen schwächer waren, absetzen konnte. Da die Schweizer Automobilindustrie gezwungen war ihren Export zu reduzieren, brachen auch in der Schweizer Tochtergesellschaft die Geschäfte ein. Die Nachfrage nach Bosch-Erzeugnissen, wie Magnetzündung, Schmierpumpe, Lichtmaschine und Anlasser ging stark zurück. Das Jahr 1924 brachte eine allmähliche Verbesserung der Lage, doch Robert Bosch hatte nun die Gefahren erkannt, die in der Abhängigkeit von einem einzigen Wirtschaftszweig liegen.

Schweizer Hilfe

Obwohl selbst von der Wirtschaftskrise getroffen, sammelten die Angestellten der schweizerischen Robert Robert AG für ihre deutschen Kollegen, um deren Not zu lindern. Fünf Kisten kondensierte Schweizer Milch wurden an das Stuttgarter Stammhaus geschickt und sollten an Familien mit kleinen Kindern verteilt werden. In dem Brief der schweizerischen Mitarbeiter an das Stuttgarter Stammhaus wurde betont, dass den deutschen Kollegen damit auch bezeugt werden solle, „dass ihm (dem Personal in der Schweiz) die große Not in Deutschland zu Herzen geht.“ Nicht nur damals rührten diese Gabe und besonders die Anteilnahme von Kollegen, die ja selbst Entbehrungen litten, die Herzen.

Es funkt – Scintilla kommt zu Bosch

Das Verkaufshaus in Genf, 1936.
Das Verkaufshaus in Genf, 1936.

Robert Bosch interessierte sich früh für die 1917 in Zuchwil bei Solothurn gegründete Firma. Deren Magnetzündung, der „Magneto“ galt ebenfalls als zuverlässig und befand sich sogar in der „Spirit of St. Louis“, mit der Charles Lindbergh 1927 den Atlantik überquerte. Die Stuttgarter Geschäftsführung befürchtete, dass das kleine Unternehmen in die Hände der Amerikaner gelangen und als Basis für die Ausweitung des amerikanischen Handels auf den europäischen Märkten genutzt werden könnte. Um dem zuvorzukommen, erwarb Bosch 1935 durch eine verdeckte Übernahme die Mehrheit der Aktien an der Scintilla AG. Ein Schweizer Bankhaus fungierte dabei als Mittelsmann. Erst 1954 wurden diese Käufe bekanntgegeben.

In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieb Bosch seine Erzeugnisse durch die Auto-Magneto AG, Genf-Zürich, über die die schweizerischen Verkaufshäuser ihre Tätigkeit fortsetzen konnten. Nach Aufhebung der schweizerischen Handelsbeschränkungen wurde die Auto-Magneto AG in Robert Bosch AG umbenannt.

Die erste Elektrische Stichsäge der Welt

Die Lesto-Stichsäge

Die Lesto-Stichsäge

Der Scintilla AG, die nicht nur Automobiltechnik, sondern auch Elektrowerkzeuge produzierte – sie wurden unter dem Namen „Lesto“ verkauft – gelang in dieser Zeit der große Wurf: Der Angestellte Albert Kaufmann erfand 1946, inspiriert von der Nähmaschine seiner Frau, die erste elektrische Stichsäge der Welt. Ab 1947 wurde sie in Zuchwil produziert. Im gleichen Jahr, das Hauptwerk in Zuchwil war viel zu eng geworden, errichtete Scintilla ein Zweigwerk in St. Niklaus und produzierte dort im ehemaligen Grandhotel in berühmter Schweizer Qualität vor allem Sägeblätter, Stufenbohrer und Messer für Gartengeräte.

Nach der Freigabe des Eigentums in der Schweiz und der offiziellen Übernahme von Scintilla als Tochtergesellschaft, errichtete Bosch in St. Niklaus 1956 ein eigenes Produktionsgebäude. Der schweizerischen Vertriebsgesellschaft Robert Bosch S.A. wurde damit eine Produktionsgesellschaft an die Seite gestellt. Was folgte, war für viele Jahre eine Erfolgsgeschichte. Im Laufe der Jahrzehnte veränderten sich jedoch die Märkte. Der Preisdruck, der durch weltweit steigenden Wettbewerb entstand, führte dazu, dass in Solothurn 2016 die Herstellung von Elektrowerkzeug eingestellt werden musste. Solothurn ist für Bosch jedoch weiterhin ein bedeutender Standort. Dort befindet sich die Hauptverwaltung mit der weltweiten Verantwortung für Elektrowerkzeuge und Zubehör. Das Werk in St. Niklaus hingegen konnte weitergeführt werden und feierte 2019 die Einweihung eines neuen Erweiterungsbaus.

Die erste Fertigungsstätte Bosch in der Schweiz, der Scintilla-Neubau in St. Niklaus, 1956.
Die erste Fertigungsstätte Bosch in der Schweiz, der Scintilla-Neubau in St. Niklaus, 1956.
Bosch Niederlassung in Zuchwil/ Solothurn, Schweiz, 2019.
Bosch Niederlassung in Zuchwil/ Solothurn, Schweiz, 2019.

Rechtzeitig zum 75. Geburtstag der Robert Bosch AG wurde 1995 in Otelfingen das neue Gebäude für das Schweizer Bosch-Hauptquartier fertig. Werkstätten, Lager, Verwaltung und Vertrieb, vorher auf mehrere Standorte verteilt, kamen nun unter einem Dach zusammen. Nach mehr als zwei Jahrzehnten wurden 2017 die Geschäfte der Bereiche Automobiltechnik und Sicherheitssysteme nach Urdorf/Zürich verlegt.

Den juristischen Firmensitz hingegen verlegte die Robert Bosch AG bereits 2007 von Otelfingen nach Zuchwil/Solothurn, wo er sich noch heute befindet und wo 2020 der hundertste Geburtstag gefeiert werden konnte.

Autorin: Angelika Merkle

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