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Geschichte

Keine Zukunft ohne Herkunft

Was Bosch erster Magnetzünder mit dem AIoT zu tun hat

Fünf Menschen in weißen Kitteln im Labor

Das Internet of Things in Verbindung mit der Künstlichen Intelligenz ist eine der vielversprechenden Technologien unserer Zeit, und ein Gebiet, auf das Bosch mit zahlreichen Produkten und Anwendungen setzt. Dies reiht sich in eine kontinuierliche Entwicklung ein: Eine Technologie baute auf die andere auf, wie ein Blick zurück auf die Beispiele Elektronik und Elektrotechnik zeigt.

Im Kosmos der denkenden Maschinen: Die Fabrik 4.0

Es herrscht eine ruhige Atmosphäre in der Fabrik. Rund 100 Maschinen stehen miteinander verbunden im Reinraum. Ein autonomes Transportsystem befördert die Produkte von der ersten bis zur letzten Bearbeitungsstation – bis zu 700 Prozessschritte werden sie bis zu ihrer Fertigstellung durchlaufen. Roboterarme und automatisierte Anlagen führen die Arbeiten aus. Menschen in weißen Spezialanzügen sind mit Wartungstätigkeiten beschäftigt.

Das ist keine Zukunftsmusik, sondern Alltag in Boschs erster AIoT-Fabrik. Im Halbleiterwerk in Dresden greifen die technologischen Ansätze von „Künstlicher Intelligenz“ (Artificial Intelligence, kurz AI) und „Internet of Things“ (IoT) eng ineinander. Sämtliche Prozesse in der Fabrik sind datengesteuert und erzeugen selbst kontinuierlich Daten. Sie werden in einem zentralen Speicher gesammelt, pro Sekunde gehen dort Informationen im Umfang von 500 Textseiten ein, pro Tag sind es 42 Millionen. Mithilfe dieser Daten lassen sich kleinste Unregelmäßigkeiten erkennen und analysieren. Genau dort setzt die KI an: selbstoptimierende Algorithmen lernen aus diesen Daten Vorhersagen zu treffen. In einer virtuellen Abbildung des Werks, einem „digitalen Zwilling“, können Optimierungen simuliert werden, bevor sie in der realen Fabrik eingespielt werden, um die Fertigung der Mikrochips noch effizienter zu gestalten.

Die vernetzte, selbstlernende Chipherstellung ist nur ein Beispiel für den Einsatz von AIoT. Intelligente vernetzte Technologien für zuhause und unterwegs können helfen, Abläufe in unserer digitalen Welt einfacher, effizienter und nachhaltiger zu machen.

Möglich werden die „lernenden Maschinen“ erst auf der Basis komplexer und leistungsfähiger Datenverarbeitung, für deren Entwicklung Bosch viel Basisarbeit geleistet hat, vor allem in der Automobiltechnik, einem Kerngeschäft seit über einem Jahrhundert.

Zwei Menschen in Schutzanzügen neben einem Roboterarm
Halbleiterfertigung im Werk Dresden, 2022

Künstliche Kopfrechner: Kein Internet der Dinge ohne Elektronik

Seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert hat die Digitalisierung einen Wandel nahezu aller Lebensbereiche bewirkt. Doch sie setzt technologische Grundlagen voraus, auf denen sie aufbaut. Auf Bosch bezogen sind das Systeme, die auf Basis komplexen Rechenoperationen sinnvolle Handlungen oder Prozesse ermöglichen. Die Rede ist von Elektronik, mit der Bosch die Automobiltechnik revolutionierte, und die dank dieser Anwendung Teil der Alltagskultur wurde.

„Sie bekamen schier keine Leute. Und Literatur gab’s auch nicht. Also haben wir Patentschriften gelesen!“ erinnert sich Karl-Ernst Boeters, ein Elektronik-Pionier bei Bosch. Ein vielversprechender Auftakt in die Elektronik hört sich anders an. Und was er nicht sagte: Es gab noch nicht einmal etablierte Fertigungsprozesse.

Die späten 1950er Jahre, als Bosch die Elektronik im Auto allmählich etablierte und zunächst mit einfachen Halbleiterelementen alltagstauglicher machte, waren ein hartes Pflaster. Es gab keine Vorbilder, und Elektronik wurde in der Regel für Raumtemperaturen ausgelegt, etwa für Transistoren in Radios.

Dennoch waren Experten bei Bosch überzeugt, dass Elektronik die Autos zuverlässiger machen wird: weniger Wartung, weniger Reparatur. Und dass sie deshalb auch für komplexe Zwecke weiterentwickelt werden muss. Sie entwarfen für das wechselhafte Klima im und am Auto so genannte „Integrierte Schaltungen“ (IC), damals die Königsdisziplin in der Mikroelektronik: In ihnen wurden Dutzende Funktionen auf winziger Fläche zusammengefasst, die so genannten Mikrochips.

Die meisten Kunden wussten sicherlich nicht, was da an winzigen Architekturen unsichtbar im Motorraum verbaut war, aber sie profitierten in der Regel davon durch pannenfreie Fahrt und weniger Werkstattbesuche.

Ein Mann im weißen Kittel vor einem Modell
Ein Forscher bei Bosch vor einem Atommodell, 1964
Ein Mann im weißen Kittel schraubt an einer Platine
Ein Mitarbeiter misst die Werte für die Steuerelektronik eines Elektromobils, 1970

Die kleinen Gehirne wuchsen weiter in ihrer Leistungsfähigkeit, in wenigen Jahrzehnten auf Millionen Transistoren auf einem einzigen Mikrochip. Denken im engeren Sinne konnten sie nicht, geschweige denn lernen, aber sie automatisierten Prozesse und Abläufe.

Den entscheidenden Schritt weiter auf dem Weg der Elektronik vom analogen in einen digitalen Kosmos waren die ersten Computer im Auto. Mit der Motronic von Bosch war dieser Schritt getan: Sie war eine Motorsteuerung, umfasste einen Mikroprozessor und einen programmierbaren Speicher. Der war mit vier Byte für heutige Verhältnisse mehr als bescheiden, aber zu komplexen Rechnungen imstande. Die technologische Reise konnte weitergehen.

Geht alles nur mit Strom: Keine Elektronik ohne Elektrotechnik

 Blick in eine Werkhalle
Herstellung von Magnetzündern im Stuttgarter Werk, 1926

Ohne das elektrische Bordnetz, das Bosch im Auto etablierte, wäre dieser technologische Sprung in die Elektronik nicht möglich gewesen.

Die Entwicklung, die zum elektrischen Bordnetz führte, begann um 1880. Thomas Edison hatte mit der Glühbirne dem elektrischen Licht Vorschub geleistet und die Elektrizität eroberte in der Folge immer größere Bereiche des Lebens. Zur gleichen Zeit hatte Werner von Siemens das Wort Elektrotechnik geprägt und die Einrichtung von Lehrstühlen an deutschen Hochschulen angeregt, die dieses Fach unterrichten sollten.

An der technischen Hochschule in Stuttgart schrieb sich 1882 ein junger Mann als Gasthörer ein, der die „Angst vor technischen Ausdrücken verlieren wollte“: Robert Bosch. Er sah in der Elektrotechnik seine berufliche Zukunft. Stationen bei mehreren elektrotechnischen Betrieben und ein Aufenthalt in Thomas Edisons Werkstatt in New York in den folgenden Jahren waren die Grundlage für Robert Bosch, um sein eigenes elektrotechnisches Geschäft zu gründen. Schon nach wenigen Jahren gelang der große Wurf. Mit dem Magnetzünder, einem elektrotechnischen Produkt, brachte er die noch jungen Automobile zum zuverlässigen und sicheren Zünden.

Innenansicht eines alten Autos
Komponenten des Bosch-Licht-Systems, 1913

Im schnell wachsenden Unternehmen von Robert Bosch war viel Expertise vorhanden, um sich der Entwicklung weiterer elektrotechnischer Meilensteine zuzuwenden. Die Grundlagen waren alle vorhanden und die zahlreichen Ideen, die in der Forscherwelt entstanden, schnell und präzise umgesetzt. 1913 brachte Bosch das Bosch-Licht auf den Markt, das erste elektrische System im Auto. Es bestand aus Scheinwerfer, Lichtmaschine, Reglerschalter und Batterie. Dadurch waren das Speichern und Abrufen von Energie im Auto möglich – und damit konnten weitere elektrische Produkte wie Anlasser, Scheibenwischer, und elektrische Hupen ins Auto integriert werden.

Bosch wandte sich aber bald auch Bereichen jenseits der Automobiltechnik zu. Wieder kamen Expertise und technische Möglichkeiten zusammen. Der Kühlschrank, Elektrowerkzeuge, Rundfunk- und Fernsehtechnik ergänzten bald das Bosch-Produktportfolio. Auch die Herstellung dieser Produkte war auf die ideale Nutzung von Elektrizität angewiesen. Im Stuttgarter Bosch-Werk hatte man dazu eigens kleine Kraftwerke im Untergeschoss eingerichtet, um nicht vom anfangs noch unzuverlässigen städtischen Elektrizitätswerk abhängig zu sein. Mit dieser Ausstattung war Bosch ein sehr zukunftsorientiertes Unternehmen, aber wer hätte damals schon gedacht, dass in 100 Jahren die Maschinen einmal selbstständig denken können?

Autoren: Bettina Simon, Dietrich Kuhlgatz und Christine Siegel

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