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Nachhaltigkeit

Künstliche Intelligenz (KI) – Chancen, Risiken, Verantwortung

Christoph Peylo, Leiter des Bosch Center of Artificial Intelligence

Technik fürs Leben entwickeln – dieser Anspruch treibt Bosch auch beim Thema Künstliche Intelligenz an. Christoph Peylo, Leiter des Bosch Center of Artificial Intelligence, gewährt Einblicke in aktuelle Projekte, erklärt, was KI leisten kann und beleuchtet, was für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Zukunftstechnologie nötig ist.

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Herr Peylo, warum brauchen wir Künstliche Intelligenz?

Bei Bosch leitet uns das Ziel, Technologien zu entwickeln, die den Menschen das Leben erleichtern. Die Künstliche Intelligenz ist ein wichtiges Werkzeug, um dieses Ziel zu erreichen. Denn viele Bereiche unserer Welt sind infolge von Technisierung und Digitalisierung derart komplex geworden, dass sie für den Einzelnen schwer zu handhaben sind. Cyber Security ist hierfür ein gutes Beispiel. Angesichts der ungeheuren Datenflut lässt sich die Sicherheit im digitalen Raum ohne Künstliche Intelligenz kaum noch gewährleisten. KI kann den Menschen aber auch in vielen anderen Bereichen unterstützen, indem sie Komplexität reduziert, Prozesse beschleunigt und die Entscheidungsfindung erleichtert. Zum Beispiel im medizinischen Bereich, in dem man zunehmend auf individualisierte, passgenau auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlungen setzt. Solche exklusiven Therapien sind momentan noch sehr teuer, sodass sie nur wenigen Patienten zugänglich sind. KI kann diese Therapiekonzepte besser skalierbar und damit günstiger machen.

150

KI Projekte wurden bereits initiiert

Welche Fortschritte hat Bosch 2018 in puncto KI gemacht und woran forschen Sie derzeit?

Wir haben bisher rund150 KI-Projekte initiiert. Aktuell arbeiten wir intensiv an einem Manufacturing Analytics System zur Optimierung von Fertigungsprozessen. Ziel ist es, die Ursachen von Fehlern in der laufenden Produktion schneller zu erkennen und beheben zu können. Dazu entwickeln wir ein intelligentes, datenbasiertes Decision Support System, das die verantwortlichen Mitarbeiter mit relevanten Informationen versorgt und sie so bei der Entscheidungsfindung unterstützt. In einem anderen Projekt nutzen wir intelligente Steuersysteme, um den Einfluss auf das Emissionsverhalten von Fahrzeugen zu verstehen und Abgase zu reduzieren. Dieses Beispiel zeigt ein weiteres bedeutendes Einsatzgebiet von KI: die umweltfreundliche Gestaltung technischer Systeme.

Dann kann KI also dazu beitragen, den Klimawandel zu bekämpfen?

Davon sind wir überzeugt. Um die Potenziale von KI in diesem Bereich zu heben, führen wir derzeit eine interne Untersuchung mit mehreren Bereichen durch. Darin untersuchen wir, wie sich mithilfe von KI Energie einsparen lässt, zum Beispiel in unseren Rechenzentren, bei Heizungs- und Klimaanlagen, aber auch in den Produktionsstätten. Einfach ausgedrückt: Wir wollen herausfinden, wie sich der Energieverbrauch durch Erfahrung in Form von gelernten Nutzungsprofilen besser steuern lässt.

„Je mehr man sich mit KI beschäftigt, desto mehr bewundert man die dem Menschen zugrundeliegende Systemarchitektur. Vergleicht man das Verhältnis zwischen Energieverbrauch und kognitiver Leistung, schneidet der Mensch fast immer besser ab als die Maschine.“

Kritiker befürchten allerdings, dass die intelligenten Maschinen irgendwann klüger werden als der Mensch. Können Sie diese Sorge nachvollziehen?

Christoph Peylo, Leiter des Bosch Center of Artificial Intelligence

Nachvollziehen sicherlich, aber nicht teilen. Denn je mehr man sich mit KI beschäftigt, desto mehr bewundert man die dem Menschen zugrundeliegende „Systemarchitektur“. Vergleicht man das Verhältnis zwischen Energieverbrauch und kognitiver Leistung, schneidet der Mensch fast immer besser ab als die Maschine. Sie können zum Beispiel gleichzeitig telefonieren, eine Treppe hinauf steigen, dabei ein Käsebrötchen essen und einen entgegenkommenden Kollegen grüßen. Und dafür sind sie erstaunlich energieeffizient – manchmal kommen Sie mit dem besagten Käsebrötchen über den ganzen Tag und sind dennoch fähig, komplexe Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. KI benötigt dagegen riesige Rechnerkapazitäten, Hardware, Software, Strom und vieles mehr. Davon abgesehen, ist es aber auch nicht das Ziel, den Menschen durch KI zu ersetzen. KI soll ihn unterstützen, in den Dingen, in denen er nicht so stark ist. Anders ausgedrückt: KI ist ein Hilfsmittel, wie meine Brille. Die sieht nicht besser als ich, sie hilft mir nur dabei, besser zu sehen.

Intelligente Maschinen können teils selbstständig handeln. Wie lässt sich dieses Risiko von Fehlentscheidungen begrenzen und wie kann ein verantwortungsvoller Umgang mit KI aussehen?

Der Einsatz von KI erfordert klare Regeln. Denn intelligente Objekte können letztendlich auch selbstständig handeln. Nach unserem gesellschaftlichen Verständnis ist mit einer Handlung aber auch Verantwortung verbunden. Das heißt: Der Handelnde muss sicherstellen, dass seine Handlung mit den gesellschaftlichen Regeln und Werten kompatibel ist. Daran wird sein Handeln gemessen. Eine Maschine kann aber nicht beurteilen, ob ihr Handeln diesem Anspruch genügt. Deshalb ist an dieser Stelle der Mensch gefragt, er muss die Regeln vorgeben, an denen sich die Maschine orientiert.

Wie funktioniert das in der Praxis?

Die Regeln müssen häufig in das System integriert werden. Denn der Mensch kann nicht in jedem Fall als letzte Instanz vorgeschaltet sein, das würde zu viel Zeit kosten. So wäre es nicht zielführend, wenn etwa der Airbag im Fahrzeug bei einem Crash erst einmal nachfragt, ob er sich öffnen soll oder nicht. Diese Entscheidung muss das System selbst treffen. Im Rahmen der Regeln, die der Mensch ihm vorgegeben hat, sind aber auch Einsatzgebiete denkbar, in denen die KI nicht allein entscheiden sollte oder von ihr getroffene Entscheidungen zumindest revidierbar sein müssen. Die gesellschaftliche Akzeptanz muss in jedem Fall gegeben sein, denn Entscheidungen dürfen nicht zu Diskriminierungen von Personengruppen führen.

Wir verstehen KI als nutzbringende Technologie, die das Leben einfacher und angenehmer macht. Sie unterstützt den Menschen, sie ersetzt ihn nicht.

An welchen Prinzipien orientiert sich Bosch im Umgang mit KI?

Bosch entwickelt Technik fürs Leben. Dieser Anspruch leitet uns auch beim Umgang mit KI. Wir verstehen KI als nutzbringende Technologie, die das Leben einfacher und angenehmer macht. Sie unterstützt den Menschen, sie ersetzt ihn nicht. Natürlich analysieren und managen wir auch die mit KI verbundenen Risiken, genau wie bei allen anderen Produkten, die wir entwickeln. Daraus ergibt sich der Anspruch, den alle von uns entwickelten, KI-basierten Produkte erfüllen müssen: „sicher, robust und nachvollziehbar“. Außerdem müssen unsere KI-Lösungen erklärbar sein. Das heißt, man muss plausibel nachvollziehen können, wie das intelligente System zu der Entscheidung gekommen ist, auf der sein Handeln basiert.

KI polarisiert und wird kontrovers diskutiert. Wie lässt sich das Vertrauen der Menschen in KI steigern?

Wir müssen die Menschen einbeziehen. Wir brauchen eine breit angelegte Debatte darüber, was unsere Gesellschaft von der Künstlichen Intelligenz erwartet, in welchem Rahmen KI genutzt werden soll und wo die Grenzen verlaufen. Denn Künstliche Intelligenz ist nicht nur ein sehr mächtiges und auch in vieler Hinsicht sinnvolles Werkzeug, sondern wird natürlich auch unsere Gesellschaft grundlegend verändern. Denn wir haben dann Systeme, die zu selbstständigem Handeln fähig sind. Wir müssen uns darüber einigen, was diese Systeme dürfen und was nicht. Die Erfahrung zeigt: Wenn wir diese Debatte nicht intensiv genug führen, droht der KI das Aus, bevor sie ihr Potenzial entfalten kann. Wenn wir hingegen genügend Zeit in eine gesellschaftliche Debatte investieren, dann ist die Chance groß, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung diese Technologie mit trägt. Wir bei Bosch gestalten diese Debatte aktiv mit, zum Beispiel in der Gruppe „High-Level Expert group on Artificial Intelligence“ der EU Kommission, deren Mitglied ich bin. Diese berät die EU-Kommission in puncto KI und treibt die Diskussion innerhalb Europas voran. Auch bei Bosch arbeiten wir an einem Kodex, der ethische Fragestellungen im Zusammenhang mit KI aufgreift.

Wenn Sie heute eine KI Ihrer Wahl erschaffen könnten: Wie sähe diese aus, was könnte sie und wo würde sie eingesetzt?

Wir wollen unsere Produkte so vernetzen und gestalten, dass sie sich noch stärker anpassen, auf das Umfeld reagieren und den Menschen besser unterstützen. Ich glaube, das ist das, was unsere Kunden auch wirklich wünschen: gute Produkte, die sich auf ihren Nutzer einstellen. Ich persönlich sehe großes Potenzial in der Künstlichen Intelligenz als Denkunterstützung. Denn viele Probleme der Menschheit beruhen darauf, dass Menschen eher einfache, lineare Zusammenhänge erkennen und verstehen. Bei komplexen Zusammenhängen mit vielen Variablen wird es schnell schwierig. Ein Werkzeug, das diese Schwächen kompensiert, würde uns als Gesellschaft wirklich voranbringen.

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