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Nachhaltigkeit

Wirtschaft und Werte

Interview mit Prof. Dr. Josef Wieland

Prof. Dr. Josef Wieland

Prof. Dr. Josef Wieland

Prof. Dr. Josef Wieland, Direktor des „Leadership Excellence Instituts Zeppelin (LEIZ)“ und Vorsitzender des Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik (DNWE).
Prof. Dr. Josef Wieland: „Entscheidend ist das Führungsverhalten, das Vorbild des Top Managements und klare Kommunikation der Wertekultur.“

Prof. Dr. Josef Wieland ist Direktor des „Leadership Excellence Instituts Zeppelin (LEIZ)“ und Vorsitzender des Deutschen Netzwerk Wirtschaftsethik (DNWE).

Mit Blick auf prominente Steuersünder und manipulierte Leserbefragungen wird in Deutschland derzeit heftig über die Moral in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft diskutiert.

Prof. Dr. Wieland, wie beurteilen Sie die „Lage der Nation“ bezüglich gelebter Ethik und Moral?

Wieland: Die ethische Rechtfertigung für die Steuererhebung ist, dass jedes Mitglied der Gemeinschaft entsprechend seinen Möglichkeiten beiträgt zur Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben. Hinzu kommt die geteilte Überzeugung, dass Spielregeln, also Recht und Gesetz und gute Sitte, eingehalten werden müssen. Die genannten Ereignisse und Skandale, die ja bloß für viele in den vergangenen Monaten und Jahren stehen, scheinen anzuzeigen, dass dieser moralische Konsens erodiert. Dass es sich häufig um Prominente handelt, weist wahrscheinlich darauf hin, dass wir in Deutschland ein Eliteproblem haben, die ihrer Vorbildrolle nicht mehr ausreichend gerecht werden. Das scheint mir das eigentliche, besorgniserregende Problem hinter den vielen Einzelereignissen zu sein.

In seinem Werk „On What Matters“ (Worauf es ankommt) bringt es Derek Parfit auf den Punkt: Als vernunftfähige Wesen sollten wir uns um das Wohl anderer sorgen. LMI stellt dem voran, dass jeder Mensch die Verantwortung für sein Handeln und seine Entwicklung trägt – und ein ehrlicher Umgang miteinander die Basis für die moderne Gemeinschaft ist. Fehlt uns die Ehrlichkeit oder die Verantwortung?

Wieland: Ich glaube, es ist kein entweder - oder, beides gehört zusammen. Nur wenn wir uns aufrichtig füreinander interessieren, sind wir auch in der Lage, Verantwortung für uns selbst und andere zu akzeptieren. Nur daher ergibt sich auch, wie das Verhältnis von Eigen- und Fremdverantwortung ist, also wo genau die Grenzen der Verantwortung liegen. Ohne Grenzen gibt es keine Verantwortung, die wahrgenommen werden könnte.

Sie beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit unternehmerischen Wertesystemen und ihrer Implementierung. Um welche Werte geht es konkret? Und was sind die wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass aus Leitsätzen gelebte Praxis wird?

Wieland: Es geht um die Leistungs-, Kommunikations-, Kooperations- und moralischen Werte von Unternehmen und anderen Organisationen. Also etwa um das Verhältnis von Kundenorientierung, Offenheit, Respekt und Ehrlichkeit. Sie werden nur dann zu Orientierungen in der Alltagspraxis, wenn sie über Leitlinien, Verfahren, Anreizsysteme und andere organisatorische Maßnahmen implementiert und routinisiert werden. Aber das ist nur der erste Schritt. Entscheidend ist das Führungsverhalten, das Vorbild des Top Managements und klare Kommunikation der Wertekultur.

Ließe sich der gerade aufgeführte Wertekonsens beispielsweise auch auf amerikanische oder chinesische Unternehmen übertragen?

Wieland: Ja, in gewisser Weise schon, darin liegt das Wesen der wirtschaftlichen Globalisierung. Aber die Bedeutung der einzelnen Werte wird womöglich verschiedenen sein? Also was bedeuten die Werte in der Praxis tatsächlich und welche Handlungen sind daher angemessen, sie zu realisieren. Das kann und wird sich häufig unterscheiden. Diesen wechselseitigen Lernprozess zu organisieren, darin liegt die Kunst des Diversitymanagements.

In Ihrem 2013 veröffentlichten Studienband „Shared Value durch Stakeholder Governance“ beschäftigen Sie sich mit der Frage, inwieweit die CSR-Aktivitäten eines Unternehmens messbare Auswirkungen auf dessen Wettbewerbsfähigkeit haben. Ihre Antwort?

Wieland: Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass es einen nachweisbaren schwachen Zusammenhang von finanzieller Leistung und gesellschaftlichem Engagement gibt. Allerdings ist die Richtung dieses Zusammenhangs nicht eindeutig. Engagiert sich jemand in CSR, weil er finanziell erfolgreich ist oder ist der erfolgreich, weil er sich engagiert? Wir entwickeln gerade ein belastbares Rechenwerk und Controllinginstrument, um diese Fragen genauer zu klären.

Was Unternehmen tun oder lassen, wird heute viel stärker von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Allerdings sind Vorbilder schwer auszumachen. Woran liegt das? Und was können die Medien hier leisten?

Wieland: Führungskräfte und Manager sind heute noch kaum ausgebildet, sich mit diesen Anforderungen moderner Unternehmensführung auseinanderzusetzen. Wenn „The Business of Business Business“ ist, dann hat man heute nur noch einen beschränkten Führungsradius. Wir brauchen intersektorale Führungsqualitäten. Wenn die Medien darüber gelegentlich nicht nur skandalorientiert informieren könnten, wäre das hilfreich.

„Grundwerte sind die Visitenkarte eines Unternehmens und setzen Handlungsmaßstäbe für Management und Mitarbeiter“ ist auf Ihrer Homepage zu lesen. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Zukunft des Miteinanders im Markt, aber auch die Zusammenarbeit innerhalb eines Unternehmens?

Wieland: Wir befinden uns mitten in einer Renaissance der Werteorientierung, und zwar nicht gegen den Markt und die ökonomische Logik, sondern als wechselseitige Voraussetzung. Moralische Werteorientierung und ökonomische Werteschöpfung sind zwei Seiten einer Medaille.

(Die Fragen beantwortete Prof. Dr. Josef Wieland im März 2014)