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Geschichte

Die Geschichte der Lehrwerkstatt und Ausbildung bei Bosch

„Das Bosch-Zeugnis war immer eine Menge wert“

Aufnahme von Bewerbern und Eignungstests, 1926

Weder billige Arbeitskräfte noch einseitige Spezialisten sollten die Lehrlinge bei Bosch sein. Um ihnen einen guten Start ins Berufsleben - auch außerhalb des Unternehmens - zu ermöglichen, legte bereits Robert Bosch besonderen Wert darauf, ihnen ein breitgefächertes Wissen beizubringen.

Die Ausbildung des Unternehmensgründers

Auszug eines handschriftlichen Zeugnisses
Lehrzeugnis von Robert Bosch

„Jetzt habe ich die Feile zwölf Jahre und jetzt soll sie auf einmal nicht mehr gut genug sein.“ – schimpfte Robert Boschs Lehrmeister Maier in Ulm. Was war geschehen? Der junge Feinmechaniker-Lehrling Robert hatte um eine neue Feile gebeten, weil die alte Feile schlichtweg stumpf war. Doch das interessierte den Meister, bei dem er von 1876 bis 1879 in die Feinmechanikerlehre ging, nicht. Auch sonst kümmerte er sich kaum um die Auszubildenden. „Nicht nur, dass mein Lehrmeister fast nie in der Werkstatt mitarbeitete, man wurde auch noch nicht einmal zum Lernen angehalten,“ erzählte Robert Bosch viele Jahre später.

Lehren aus der Lehre

Diese Erfahrungen veranlassten Robert Bosch dazu, sich in seiner 1886 gegründeten eigenen Werkstatt sehr intensiv um die Lehrlinge zu kümmern. Deshalb nahm er nie mehr als zwei gleichzeitig an und betreute sie persönlich. Um sie anzuspornen und wenn er ihnen und ihren Fähigkeiten etwas zutraute, gab er ihnen herausfordernde Aufgaben und schickte sie auch schnell allein zum Kunden. Als die Firma jedoch expandierte, konnte er den Nachwuchs nicht mehr selbst betreuen und delegierte diese Aufgabe an einzelne Meister. Je größer das Unternehmen wurde, desto spezialisierter arbeiteten die einzelnen Abteilungen und damit auch die betreuenden Meister mit den Lehrlingen. Da Robert Bosch aber großen Wert auf vielseitig und systematisch ausgebildete Lehrlinge legte, eröffnete er am 1. April 1913 in Feuerbach eine eigene Lehrwerkstatt und konzentrierte hier alle Lehrlinge des Unternehmens. Als Leiter stellte er einen ehemaligen Weggefährten seiner beruflichen Wanderjahre ein: August Utzinger. Dieser modernisierte die Bosch-Lehre und unterrichtete die jungen Leute in eigenen Räumen in Theorie und Praxis. Die Ausbildungsplätze waren sehr begehrt, denn „das Bosch-Zeugnis war immer eine Menge wert“

Für die neue Lehrlingswerkstatt stellte Bosch in der Anfangszeit jährlich 30 bis 35 Lehrlinge ein. Die Aufnahmeprüfung war anspruchsvoll, es sollten nur die Besten zu Bosch kommen. Diesen Anspruch betonte auch Hans Walz, der erste Nachfolger des Firmengründers, anlässlich der 25-Jahr-Feier der Lehrwerkstatt: „Der Heranbildung eines tüchtigen fachlichen Nachwuchses maß Herr Bosch entscheidende Bedeutung bei für die Aufrechterhaltung von Leistungskraft und internationaler Wettbewerbsfähigkeit.“

Junge Männer an Pulten
Technischer Lehrsaal für den Gewerbeunterricht, Feuerbach 1936

Als Auszubildende aus Großbritannien über weibliche Lehrlinge staunten

junge Frau an einer Presse
Eine der ersten weiblichen Lehrlinge in einem technischen Beruf bei Bosch, 1951

Die Ausbildungsplätze bei Bosch sind auch deshalb begehrt, weil es im großen und weltweit aufgestellten Unternehmen neben Aufstiegschancen auch international viele Möglichkeiten der persönlichen und fachlichen Weiterbildung gibt. Im Bosch-Zünder wurde erstmals 1954 die Möglichkeit für einen Austausch zwischen deutschen und englischen Nachwuchskräften erwähnt. Die jungen Männer aus Großbritannien staunten gleich über drei Stuttgarter Besonderheiten: über weibliche Lehrlinge, die es zu der Zeit bei ihnen offensichtlich nicht gab, über die damals noch übliche Bierausgabe in der Vesperpause und über das gute Englisch vieler Boschler.

Gute Fremdsprachen-Kenntnisse sind nach wie vor eine wichtige Voraussetzung für einen Austausch. Längst aber sind die Ziele weiter entfernt. So reisten im Sommer 2012 aus dem Bosch-Werk in Homburg Mechatronik-Lehrlinge nach Peking. Auch sie waren nicht bloß fachlich, sondern auch interkulturell beeindruckt: „Raue Töne und laute Ansprachen gibt es hier nicht – es wird immer darauf geachtet, alles freundlich zu formulieren und beide Parteien müssen das Gespräch zufrieden beenden.“

Andere Länder, andere Ausbildung

Je nach Land und Standort gibt es durchaus Unterschiede in der Bosch-Ausbildung. In Deutschland besteht das „Duale System“: Die Lehrlinge werden sowohl in der staatlichen Berufsschule als auch im Betrieb, in einer speziellen Lehrwerkstatt ausgebildet. Die Ausbildung ist normiert und wird überbetrieblich deutschlandweit anerkannt. In anderen Ländern gibt es ähnliche Modelle wie beispielsweise eine geregelte technisch-gewerbliche Ausbildung bei Bosch in der Schweiz. Dort hatte man seit 1920 Lehrlinge und seit 1928 eine geregelte technisch-gewerbliche Ausbildung.

Bosch in Brasilien richtete 1960 eine Lehrlingswerkstatt ein. Nelson Mulato begann dort seine Lehre. Fast 30 Bewerber hatten sich damals auf eine Lehrstelle beworben. Mulato bestand das Auswahlverfahren und blickt dankbar zurück: „Meine Gruppe war als erste an den Schraubstöcken. Wir bauten die importierten Maschinen auf und warteten auf die ersten Anweisungen der Ausbilder. Ich glaube, dass die Ausbildung bei Bosch für meinen Berufsweg das Wichtigste war!“

Weltkarte mit verschiedenen Punkten
Ausbildung und Studium bei Bosch weltweit, 2021

Heute trägt Bosch das Konzept der dualen Berufsausbildung weiter in die Regionen. In Kooperation mit der Industrie und Handelskammer (IHK) und den deutschen Auslandshandelskammern arbeitet das Unternehmen daran die duale Berufsausbildung nach deutschem Vorbild in Ländern wie China, Indien, Vietnam, Brasilien und der Türkei zu etablieren. Ende 2021 beschäftigte Bosch weltweit nahezu 6 500 Auszubildende, davon rund 4 000 in Deutschland.

Neue Wege – die Ausbildung verändert sich

Nachdem Bosch zunächst nur Feinmechaniker und Werkzeugbauer ausgebildet hatte, kamen mit den Veränderungen der Arbeitswelt immer mehr Berufe hinzu. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Ausbildungsmöglichkeiten in den Bereichen Wirtschaft, Technik und IT – von den klassischen Industriemechanikern und Industriekaufleuten bis hin zu den neueren Berufen Mechatroniker, Fachinformatiker oder Digitalisierungskaufleute. Auch die Anzahl an dual orientierten Bachelor-Studiengängen wurde immer breiter. Die ständig neuen Anforderungen der Berufswelt bei Bosch veränderten bis heute die Ausbildung. Insbesondere kann nicht mehr eins zu eins vermittelt werden, was im Berufsleben später genau gefordert ist. Deshalb ist es besonders wichtig, die Nachwuchskräfte so auszubilden, dass sie Probleme erkennen und lösen und sich immer wieder inhaltlich Neues erarbeiten können. Auch den Umgang mit neuester Technologie.

Zwei Mitarbeiter in Schutzanzügen vor einem Bildschirm
Ausbildung Mikrotechnologie in der Reutlinger Wafer-Fabrik, 2000

Autorin: Kathrin Fastnacht

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