Prof. Boris Kozinsky
Quantenmechanische Werkstofftechnik auf Grundlage von Berechnungen
Wenn wir erfolgreich sind, wird eines Tages ein intelligentes Computersystem in der Lage sein, chemische Reaktionen und Phasenübergänge für eine große Zahl von Materialien zu simulieren, automatisch Trends zu analysieren und einen Syntheseweg vorzuschlagen, mit Hilfe dessen wir den geeignetsten Kandidaten für die jeweilige Anwendung finden. All das klingt heute noch nach Science Fiction, doch es wird schneller als angenommen wahr werden. Wir werden unsere Jobs nicht verlieren, sie werden nur noch mehr Spaß machen.

Ich habe bei Bosch Research in Nordamerika den Bereich für atomistisches computergestütztes Materialdesign aufgebaut und geleitet. Unser Team nutzt Algorithmen, die auf der Quantenphysik basieren, sowie Hochleistungsrechner, um Materialien für die nächste Generation von Legierungen, Batterien, Halbleitern, Beschichtungen, Sensoren und anderen Technologien zu erforschen und zu entwickeln. Im Jahr 2018 habe ich eine neue Forschungsgruppe an der Universität Harvard gegründet, die sich mit der Kombination von Physik und maschinellen Lernmodellen zur Beschreibung der Transporteigenschaften und der zeitlichen Entwicklung komplexer Materialien beschäftigt. In dieser Doppelrolle bringe ich die talentierten Forscher aus den Teams von Bosch und Harvard zusammen und bilde enge Kooperationen zwischen ihnen. Gemeinsam entwickeln wir neue, hochmoderne Methoden, die es uns ermöglichen, auf atomarer Detailebene nachzuvollziehen, wie Materialen funktionieren und sich verändern.
Lebenslauf
- Professor für computerunterstützte Materialwissenschaft, Universität Harvard
- Gründung des Bosch RTC Research Centers in Cambridge, Massachusetts
- Promotion in Physik, MIT
Ausgewählte Publikationen

Pizzi et al. (2016)
- Giovanni Pizzi, Andrea Cepellotti, Riccardo Sabatini, Nicola Marzari, Boris Kozinsky
- Computational Materials Science, Volume 111, Pages 218-230

Vandermause et al. (2020)
- Jonathan Vandermause, Simon Batzner, Yu Xie, Lixin Sun & Boris Kozinsky
- npj Comput Mater 6, 20

Kozinsky et al. (2016)
- Boris Kozinsky, Sneha A. Akhade, Pierre Hirel, Adham Hashibon, Christian Elsässer, Prateek Mehta, Alan Logeat, and Ulrich Eisele
- Phys. Rev. Lett. 116, 055901

Samsonidze & Kozinsky (2018)
- Georgy Samsonidze, Boris Kozinsky
- Advanced Energy Materials, Volume 8, Issue 20
Interview mit Prof. Boris Kozinsky

Principal Scientist, Computergestütztes Materialdesign
Erzählen Sie doch mal: was fasziniert Sie an der Forschung?
Die Möglichkeit, von grundlegenden Gleichungen der Quantenphysik auszugehen und mit Hilfe von Computern Eigenschaften von realen Materialien genau vorherzusagen, fühlt sich für mich immer noch sehr magisch an. Es gibt keine bessere Bestätigung für die Kraft und Richtigkeit unseres Verständnisses der Welt der Atome und Elektronen, als wenn solche Berechnungen zur Erfindung eines völlig neuen und besseren Materials führen.
Was macht die Forschung bei Bosch besonders?
Hier werden vertiefte Grundlagenuntersuchungen und neue Ideen gewürdigt, während gleichzeitig Praxisnähe und Schnelligkeit einen hohen Stellenwert genießen. Diese Ausgewogenheit macht Bosch Research so einzigartig. Die Bestrebung, saubere und effizientere Technologien zu entwerfen, bringt Wissenschaftler aus verschiedensten Teams und Kontinenten zusammen. Dadurch arbeiten wir in einer sehr vielseitigen und anregenden Forschungsumgebung. Man hat das große Ganze vor Augen, von den grundlegenden Funktionen eines Geräts bis hin zu betriebs- und marktwirtschaftlichen Aspekten und Produktionsprozessen.
Woran forschen Sie bei Bosch?
Im Zuge unserer Universitäts-Industrie-Kooperation entwickeln wir eine neue Art von Methoden, die über die Genauigkeit von vollständigen quantenmechanischen Beschreibungen von Elektronen und Atomen verfügen, aber um einiges schneller zu lösen sind. Dafür entwerfen wir maschinelle Lernmodelle auf der Grundlage physikalischer Symmetrien und lassen sie automatisch trainieren. Wir wenden diese Methoden an, um Phasenumwandlungen in Legierungen, den Transport von Ionen in Elektrolyten sowie Katalysereaktionen zu untersuchen. Wir arbeiten auch an der Vorhersage der elektronischen und thermischen Leitfähigkeit in Halbleitern, was für das Design von Leistungselektronik und Sensoren wichtig ist.
Was sind die größten wissenschaftlichen Herausforderungen in Ihrem Forschungsfeld?
Es ist sehr schwierig, die Funktionsweise realistischer komplexer Materialien genau zu verstehen, zumal wir ihre oft unvollkommene Zusammensetzung und Struktur meist nicht vollständig kennen. Die Brute-Force-Simulation funktioniert in einfachen Idealfällen, und um Fortschritte zu erzielen, müssen wir bei der Kombination von Experimenten und Berechnungen kreativ vorgehen. Die Herausforderung liegt in den sehr unterschiedlichen Zeitskalen der schnellen Bewegung einzelner Atome und der insgesamt langsamen Entwicklung und Reaktion von Materialien. Um die Kluft zwischen grundlegenden Gleichungen und echten Anwendungen zu überbrücken, braucht es ein hohes Maß an Denkarbeit, Softwareentwicklung und innovativen Methoden.
Wie werden Ihre Forschungsergebnisse zu "Technik fürs Leben"?
Man muss wissen, dass wir an Materialien arbeiten, die weltbewegende Technologien ermöglichen. Neue Hochleistungsmaterialien sind das Herzstück von Produkten der nächsten Generation: Brennstoffzellen, Antriebe, Sensoren, Legierungen, Beschichtungen usw. Unsere Arbeit hat zur Erfindung neuer Materialien und Rechenmethoden geführt, die für industrielle und akademische Anwendungen, auch außerhalb von Bosch, untersucht und genutzt werden.
Ihr Kontakt zu mir
Prof. Boris Kozinsky
Principal Scientist, Computergestütztes Materialdesign