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Geschichte

Mehr als ein halbes Jahrhundert – Bosch-Forschungsinstitute

Forscher am Mikroskop

Es war ein kühler 1. April, als Bosch-Chef Hans L. Merkle 1965 das Forschungsinstitut Berlin (FIB) seiner Bestimmung übergab. Unter den geladenen Gästen war auch Karl-Ernst Boeters, einer der 26 neuen Mitarbeiter. Amüsiert berichtete der heute 100-jährige von einer Frage des Bosch-Geschäftsführers Gustav Wagner, ob unter den Mitarbeitern auch ein erfahrener „Boschler“ sei. Mindestens einer, war sein Credo, sonst könnte es Übersetzungsschwierigkeiten geben – weniger mit dem schwäbischen Dialekt als mit den Gepflogenheiten und Regeln, die in großen Unternehmen wie Bosch oft eine Welt für sich sind. Die Konsequenz: Eine Mitarbeiterin der benachbarten Bosch-Tochtergesellschaft übernahm das Sekretariat des FIB.

Großzügig mit kleinen Vorbehalten

Forschung in der „Physik und Chemie der Grenzflächen, der dünnen Schichten und Bereiche“ war der offizielle Auftrag des Institutes, dessen Belegschaft nur einen kleinen Teil der damals rund 2 600 Mitarbeiter ausmachte, die bei Bosch in Forschung und Entwicklung tätig waren. Das FIB war als schlagkräftiger „Think Tank“ für Grundlagenforschung gedacht, insbesondere in der Halbleitertechnik.

Leider war der Neubau nicht maßgeschneidert für die Forschung, im Gegensatz zum später gebauten „Technischen Zentrum Forschung“ auf der Gerlinger Schillerhöhe nahe Stuttgart.

Dort hatten die Architekten Zwischengeschosse für die flexible Versorgung der Labors mit Wasser, Strom, Druckluft und Edelgasen eingeplant. Bei der technischen Ausstattung hingegen durften die Forscher in Berlin kostspieliges Gerät in Millionenwert nach eigenem Ermessen anschaffen – ein großer Vertrauensvorschuss. Bei kleineren Investitionen hingegen, so berichtet Zeitzeuge Karl-Ernst Boeters, wurde zuweilen aber doch auf Sparsamkeit Wert gelegt: Die Buchhaltung bat zum Beispiel zu überprüfen, ob statt drei Stromspannungsmessern nicht auch zwei genug seien.

Das Gebäude des 1965 eröffneten Forschungsinstitutes Berlin (FIB)
Das Gebäude des 1965 eröffneten Forschungsinstitutes Berlin (FIB), in dem ein kleines Team Grundlagenforschung vor allem für die Halbleiterentwicklung betrieb. (1965)

Wachstum braucht mehr Forschung

Es war bereits in der ersten Hälfte der 1960er Jahre absehbar, dass Bosch kontinuierlich mehr Forschungskapazität brauchte. Zudem waren die Forschungsaktivitäten Mitte der 1960er Jahren auf zahlreiche Standorte verstreut. Die Gefahr bestand, dass man an zwei Orten dasselbe erforschte, ohne voneinander zu wissen. Beide Aspekte bestärkten die Bosch-Führung, Mitte der 1960er Jahre zum Bau des Technischen Zentrums Forschung (TZF), das architektonisch und technisch auf Augenhöhe mit den richtungsweisenden Vorbildern in den USA war. Es entstand auf demselben Gelände, auf dem die neue Unternehmenszentrale gebaut wurde.

Forschung zentral, Entwicklung regional

Erprobung der Technik. Dr. Karl-Ernst Boeters. (1965)
Erprobung der Technik. Dr. Karl-Ernst Boeters, später Leiter des FIB, testet die Funktion eines Spezialmikroskops. (1965).

Hier bündelte Bosch die Forschung, während für die Produktentwicklung nach und nach Entwicklungszentren an den Standorten der Geschäftsbereiche entstanden. Zentral die Forschung und dezentral die Entwicklung, so hieß damals die Lösung, die bis heute besteht. Internationale Forschungseinrichtungen, RTC (Research & Technology Center) entstanden in wichtigen Zentren weltweiter Forschung, wie etwa in Palo Alto (heute in Sunnyvale) im Silicon Valley in den USA. Andere solche Forschungszentren sind in Bangalore, Boston, Haifa, Hildesheim, St. Petersburg, Pittsburgh, Shanghai und Singapur.

Im vergangenen Jahrzehnt machte steigender Forschungsaufwand durch Innnovationsdruck im scharfen Wettbewerb mit der Konkurrenz ein neues Gesamtkonzept für die Forschung nötig. Mehr Personal und der zunehmende Innnovationsdruck sorgten für Platzknappheit. Zudem bildeten sich weitere Forschungseinrichtungen in Schwieberdingen und in Waiblingen, mit der Folge sinkender Synergien in der Forschungsarbeit.

Der Campus als Konzept

„Die Lösung“, sagt Thomas Kropf, Chef der Forschung und Vorausentwicklung, „entstand auf dem Reißbrett“ – der 2015 gebaute Forschungscampus in Renningen. Er bildet das Zentrum eines weltweiten Forschungsverbundes, zu dem neben unternehmenseigenen Forschungseinrichtungen auch partnerschaftlich verbundene wissenschaftliche Institute zählen, etwa an Universitäten in aller Welt.

„Der neue Ort des Forschens“, so Kropf, „schafft in vorbildlicher Weise alle Voraussetzungen, dass kreatives Denken und Handeln entstehen und wachsen kann. Der persönliche Austausch zwischen den Forschern und die interdisziplinäre Zusammenarbeit wird durch die neue Arbeitswelt im Forschungscampus ideal gefördert.“ Und nicht allein das: „Grünflächen zum Denken sowie Sporthalle und Fitness-Studio zählen auch dazu.“ Kropf vergleicht dies mit dem Campus einer Universität: „Der Forschungscampus Renningen bietet Orte und Freiräume für die zurückgezogene Arbeit der jeweiligen Spezialisten ebenso wie gemeinsame Arbeitsflächen, hervorragend ausgestattete Labore und sogar eine Teststrecke für Fahrzeuge, die den Austausch der Erkenntnisse und die gemeinsame Arbeit an Innovationen ermöglichen.“

Autor: Dietrich Kuhlgatz

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