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Geschichte

Robert Bosch – Anwalt für die Demokratie

Politische Aufklärung, Pazifismus und Völkerverständigung

Porträt des 80-jährigen Robert Bosch, der nicht in die Kamera blickt.

Am 30. Januar 1933 stand Robert Bosch vor den Trümmern seines politischen Engagements. Er musste erleben, wie die Nationalsozialisten an die Macht gelangten – und in den folgenden Jahren ein diktatorisches, menschenverachtendes Regime im Herzen Europas errichteten. Dabei lehnte Robert Bosch radikale Strömungen von links und rechts ab. Seine politische Haltung war liberal-demokratisch, politische Aufklärung und Pressefreiheit waren ihm wichtig. Sie sollten den Menschen die Augen für das Verbindende der Völker und die Notwendigkeit des friedlichen und demokratischen Miteinanders öffnen. Doch der Einsatz des Unternehmers trug, zumindest zu seinen Lebzeiten, keine Früchte.

Gespräche in kleineren Zirkeln

Das schwarz-weiße Foto zeigt den Kopf einer jungen Frau mit Hochsteckfrisur und hoch geschlossener Bluse.
Anna Bosch, geborene Kayser, 1886

Ein liberales Elternhaus prägte Robert Boschs demokratische Grundhaltung. Sein Vater, Mitglied einer Freimaurerloge, lebte ihm Grundideale wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität vor. Sein Lebensmotto „Sei Mensch und ehre Menschenwürde“ verinnerlichte Robert Bosch schon als junger Mann. In Briefen an seine Verlobte Anna Kayser, die er ihr 1884/85 aus Amerika schickte, beschäftigen ihn soziale Fragen und das politische System. Er schrieb ihr, dass sie ein Recht auf eine eigene Meinung habe. Für die damalige Zeit war es keineswegs selbstverständlich, dass ein Mann seine Frau dazu aufforderte, gleichberechtigte Partnerin zu sein – bei Bosch war es Ausdruck seiner gesamten Einstellung.

Als junger Unternehmer dann diskutierte Robert Bosch kontrovers und leidenschaftlich mit seinem Wohnungsnachbarn, dem marxistischen Theoretiker Karl Kautsky, und der Kommunistin Clara Zetkin. Zeit seines Lebens stand er sowohl der liberalen Deutschen Volkspartei als auch der Sozialdemokratie nahe. Immer war ihm der freie Meinungsaustausch wichtig. Gleichwohl trat er mit seiner politischen Meinung nur selten an die breite Öffentlichkeit, wurde nie Mitglied einer Partei.

Trotzdem fand Robert Bosch neben der fordernden unternehmerischen Tätigkeit Wege, seinen politischen Überzeugungen Ausdruck zu verleihen. So gründete er kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit dem Schriftsteller und Konstrukteur Karl Gustav Vollmoeller, dem Dichter Richard Dehmel und dem Industriellen und Politiker Walther Rathenau die „Deutsche Gesellschaft von 1914“. Nach dem Vorbild der politischen Clubs in Großbritannien konnten sich hier Menschen jeder politischen Couleur und gesellschaftlichen Schicht treffen, um miteinander zu diskutieren und ihre Standpunkte und Argumente auf Augenhöhe auszutauschen. Bosch kaufte in Berlin das Pringsheimsche Palais und stellte die möblierten Räume für einen geringen Mietzins zur Verfügung, um dem „fairen menschlichen Verkehr politischer Gegner eine Chance zu geben“, wie der Bosch-Biograph Theodor Heuss seine Motivation beschrieb. Als in den späten Jahren der Weimarer Republik Umgang und Ton in der Gesellschaft nationalistischer und intoleranter wurden, zog sich Bosch zunehmend zurück.

Demokratische Meinungsvielfalt

Auch die Pressefreiheit und eine pluralistische Öffentlichkeit waren Robert Bosch zeitlebens ein wichtiges Anliegen. Jeder Bürger, so die Überzeugung des Unternehmers, sollte sich auf Basis vielfältiger Berichterstattung in den Medien seine eigene Meinung bilden können. Deshalb beteiligte er sich an Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlagen. 1912 erwarb Bosch die Wochenzeitschrift „Die Lese“, die zu Anfang für bildungsfernere Schichten konzipiert war und auf Boschs Bemühungen der Volksbildung einzahlte. Selbst die sozialdemokratische Zeitung „Schwäbische Tagwacht“ unterstützte Bosch ab 1916 mehrfach, obwohl die Redaktion nicht selten kritisch über ihn und sein Unternehmen berichtete. Die ihm politisch nahestehenden Parteien – DVP und SPD – förderte er, indem er ihnen den Zugang zu Publikationsorganen verschaffte. Der Erwerb der „Deutschen Verlagsanstalt“ und deren Tochterpublikation, der Zeitung „Neues Tagblatt“, schuf der DVP ein Presseorgan. Gleichzeitig finanzierte er die gemäßigte Zeitschrift „Sozialistische Monatshefte“. Damit wollte Robert Bosch erreichen, dass die Menschen in der politisch instabilen Zeit der Weimarer Republik ein Verständnis von demokratischen Rechten und Pflichten entwickelten.

Das das Titelblatt einer alten Zeitung.
In der Schwäbischen Tagwacht erschienen auch Bosch-kritische Artikel, wie der über die Aussperrung bei Bosch während des Streiks 1913.
Gruppenfoto mit sechs Männern und einer Frau, die hinter einer Frau und vier sitzenden Männern stehen.
Theodor Heuss im Kreis von Kollegen und Schülern der Deutschen Hochschule für Politik, 1922 (1. Reihe 2.v.l.). © Familienarchiv Heuss, Basel

Auch im Bereich der Bildung engagierte sich Robert Bosch: Ab 1920 finanzierte er in Berlin die neu gegründete Deutsche Hochschule für Politik mit. Deren Ziel war es, unabhängig von Staat und Parteien Studenten aus möglichst allen Bevölkerungsschichten wissenschaftlich fundierte, historisch-politische und demokratische Bildung zu ermöglichen. 1933 schalteten die Nationalsozialisten die Hochschule gleich: jüdische und als politisch unzuverlässig eingestufte Dozenten wurden entlassen – wenn sie nicht schon vorher emigriert waren. Das Reichsprogagandaministerium übernahm die Kontrolle über Lehrpläne und Verwaltung. Damit endete die Behandlung unabhängiger und demokratischer Inhalte.

Nur eine Verständigung kann helfen

Robert Bosch war nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs aus tiefstem Herzen Pazifist und wurde so zum überzeugten Motor der Völkerverständigung, besonders zwischen Deutschland und Frankreich. Er trat der Deutschen Sektion des Komitees für deutsch-französische Verständigung bei und lud 1935 deutsche und französische Kriegsveteranen als „Pioniere des Friedens“ nach Stuttgart ein.
In die gleiche Richtung zielte sein Engagement für einen gesamteuropäischen Staatenbund, der einen neuen Krieg verhindern sollte. Bosch war Präsidiumsmitglied der Paneuropa-Bewegung des Philosophen und Politikers Graf Richard Coudenhove-Kalergie. Beide waren überzeugt, dass militanter Nationalismus Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich verhindere. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs scheiterte das wichtigste Ziel dieser Bewegung.

Robert Bosch, ein Mann und eine Frau sitzen am Tisch in einem öffentlichen Raum, ein Mann am Tisch hält stehend eine Rede.
Richard Coudenhove-Kalerghi (links) und Robert Bosch beim Paneuropa-Kongress in Berlin, 1930. © Scherl / Süddeutsche Zeitung

Enttäuschte Hoffnungen

Der Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland machte Robert Boschs vielschichtige Bemühungen zunichte. Die Weimarer Demokratie erwies sich als zu wenig standhaft: Weite Teile des deutschen Volkes erlagen den Versprechungen der Nationalsozialisten, am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichkanzler ernannt. Das diktatorische System sollte zwölf Jahre dauern und in die Katastrophen von Zweitem Weltkrieg und Holocaust führen. Auch Robert Bosch, der den Nationalsozialisten ablehnend gegenüberstand, geriet in den Zwiespalt, dass er, wenn er sein Lebenswerk, das Unternehmen, erhalten wollte, ein Mindestmaß an Kooperation zeigen musste. Bosch wurde „rüstungswichtiger Betrieb“ und beschäftigte Zwangsarbeiter. Doch selbst in dieser Zeit fand Robert Bosch Wege, das Richtige zu tun: Er unterstützte die Männer des Widerstandskreises 20. Juli und ermöglichte, unter anderem durch finanzielle Hilfe, jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Flucht aus Deutschland. Bis zu seinem Tod 1942 blieb Robert Bosch aktiver Anwalt demokratischer Prinzipien.

Seine Werte verankerte Robert Bosch in seinem Testament, und zwar mit den Richtlinien zur Vermögensverwaltung: „Neben der Linderung von allerhand Not“, so bestimmte er, „soll gefördert werden: Gesundheit, Erziehung, Bildung, Förderung Begabter, Völkerversöhnung“. Sein gemeinnütziges Engagement wird heute von der Robert Bosch Stiftung GmbH, der Besitzerin des Unternehmens, fortgeführt. Die Stiftung unterstützt – ganz im Sinne des Unternehmensgründers – zum Beispiel Projekte, die der Frage nachgehen: Wie kann die Demokratie in Deutschland und Europa gestärkt werden?

Autorin: Kathrin Fastnacht

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