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Geschichte

Geschichte der beruflichen Weiterbildung bei Bosch

Vom „Centralblatt“ über die gelbe Kassette zum Web-Based-Training

Eine Gruppe Männer stehen in einer Werkstatt um eine Werkbank herum. Sie schauen auf ein Werkstück, dass der erklärende Meister in die Höhe hält.

Was wäre geschehen, wenn sich Robert Bosch nach dem Schulbesuch und der feinmechanischen Lehre nicht sein Leben lang weitergebildet hätte? Es würde das Unternehmen vermutlich heute nicht mehr geben. Denn Robert Boschs Qualifikationen nach der Lehre wären nicht ausreichend gewesen, um die Werkstätte für Feinmechanik zu gründen und zu einem weltweiten Konzern zu entwickeln. Zum Glück aber war der Unternehmensgründer ein neugieriger und lernwilliger Mensch und bildete sich und seine Beschäftigten ständig fort. Ein Überblick

Robert Bosch ließ es sich bereits in seinem zweiten Geschäftsjahr stolze 20 Mark pro Jahr kosten, um die Zeitschrift „Centralblatt für Elektrotechnik“ zu abonnieren. Diese Summe entsprach fast 30 Stunden Arbeitslohn zur damaligen Zeit. Mit dieser Lektüre war er immer auf dem neuesten Stand des technischen Wissens. Daraus entstand nach und nach eine kleine Bücherei mit technischer und kaufmännischer Fachliteratur. 1919 erweiterte er diese um „anerkannt gute Bücher schöngeistigen, unterhaltenden Inhalts“ und machte sie als Werksbücherei am Bosch-Standort in Feuerbach für alle Mitarbeitenden zugänglich.

Mehrere Männer, die meisten in Anzug und mit Krawatte, stehen um Büchertische herum und blättern in Büchern.
Nach dem Umzug der Zentrale auf die Gerlinger Schillerhöhe gab es dort ebenfalls eine Werksbücherei, 1975.

Lange Zeit blieb es Standard, Neues im Schüler-Lehrer-Verhältnis zu lernen. So fand beispielsweise 1913 ein Meisterkurs mit 100 Teilnehmern an der damals noch Technischen Hochschule genannten Universität Stuttgart statt.

Im Ersten Weltkrieg gab es zum ersten Mal Frauen in der Produktion von Bosch. Sie übernahmen die Arbeit der an die Front einberufenen Männer. Um dies möglich zu machen, zerlegte man die Tätigkeit von Facharbeitern in möglichst viele einzelne einfache Handgriffe, die auch von angelernten Arbeiterinnen ausgeführt werden konnten. Facharbeiter waren dann nur noch notwendig, um Störungen an den Maschinen zu beheben. Dieses Modell bewährte sich so gut, dass es beibehalten wurde und dadurch nach dem Ersten Weltkrieg mehr Angelernte – Männer und Frauen – in der Produktion arbeiteten.

Aufstiegschancen

Ab 1924 unterrichteten leitende Ingenieure des Hauses in einer eigens eingerichteten Werkfachschule notwendiges, praxisorientiertes Wissen für Mitarbeiter. Adolf Ottmann, der Leiter der Schule, schrieb, dass aus „befähigten Facharbeitern, Technikern, Meistern, Kalkulatoren, Arbeitsstudienleuten ausgesuchte tüchtige Betriebsbeamte für die besonderen Bedürfnisse unserer feinmechanischen und elektrotechnischen Massenfertigung heranzubilden“ seien. Lernwillige mussten mit einer Aufnahmeprüfung ihre Eignung beweisen. Der Lehrzyklus beinhaltete über anderthalb Jahre insgesamt 270 Stunden, die im Anschluss an die Arbeitszeit stattfanden. Es bedurfte einer hohen Motivation, um dieses Soll zu leisten. Wer jedoch die Prüfung bestand, wurde mit der Übernahme ins feste Angestelltenverhältnis belohnt. So schlug man mehrere Fliegen mit einer Klappe: Bosch bekam die dringend benötigten Facharbeiter und Beschäftigte bekamen die Möglichkeit, innerhalb des Unternehmens aufzusteigen.

Ausschnitt aus der ersten Seite, auf dem der Schriftzug Bosch-Zünder, das Firmenloge und die Überschrift des Artikels mit Verfasser stehen.
Am 31. Juli 1926 erschien ein Artikel im Bosch-Zünder über die Werkfachschule.

„Earn, while you learn“

Die Situation, dass Fachkräfte fehlten, wiederholte sich mit dem starken Wachstum im deutschen „Wirtschaftswunder“ während der 1950er Jahre. Eine sogenannte Spätlehre ermöglichte angelernten Arbeitern – unter anderem aus dem Zweiten Weltkrieg heimgekehrten Soldaten – eine Lehre nachzuholen. Wer eine dreijährige Betriebszugehörigkeit und entsprechende Eignung nachwies, konnte sich bewerben. Während der drei Jahre dauernden Lehre erhielten die Teilnehmer 75 Prozent ihres letzten Verdienstes – earn, while you learn.

Ab 1961 bildete Bosch dann erwachsene Mitarbeiter systematisch mit dem vierjährigen Bosch-Stufenplan weiter. Auch hier konnten Arbeiter ohne Verdienstausfall die Facharbeiterqualifikation erlangen beziehungsweise umschulen. Bei der Feier anlässlich der ersten 34 Absolventen im Dezember 1965 hieß es, es handele sich „… durchweg um erwachsene Männer, zum größten Teil sogar Familienväter, die schon mehrere Jahre als angelernte Arbeiter tätig waren, und die sich nun unter großen Opfern und Anstrengungen, fast durchweg in ihrer Freizeit, die Kenntnisse und Fähigkeiten aneigneten, die für die Metallfacharbeiter-Prüfung verlangt werden.“ Zwei Drittel von ihnen waren vorher Landwirte, Schreiner und Bäcker gewesen. Das Angebot wurde rege angenommen – im Mai 1967 durchliefen bereits 300 Mitarbeiter die Kurse. Ein Arbeiter erzählte voller Begeisterung: „Jetzt habe ich endlich einen Beruf.“

Zwei Männer stehen an einer Tafel, einer zeichnet, der andere schaut ihm zu. Davor sitzen drei Männer an Tischen, schauen ebenfalls an die Tafel bzw. zeichnen selbst.
Teilnehmer des Bosch-Stufenplan-Programms beim Fachzeichnen, 1965

Veraltetes Wissen

„Bosch muss selbst alles tun, um älteren noch bildungsfähigen und -willigen Mitarbeitern, deren Wissen durch die Entwicklung überholt ist, Gelegenheit zur Weiterbildung und zum Einsatz in neuen Aufgabengebieten zu bieten. Der notwendige Aufwand hierfür ist gerechtfertigt, da der Verzicht auf die Erfahrungen solcher Mitarbeiter aus betriebs- und volkswirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar ist.“ Dieser Satz stammt aus einer Geschäftsführersitzung vom Mai 1979. Das Thema blieb über die Jahrzehnte also virulent.

Aus dieser Erkenntnis heraus, starteten mehrere Initiativen. Einerseits wurde 1980 das Robert Bosch Kolleg gegründet, eine Art betriebsinterner Universität. In anfangs dreimonatigen Lehrzyklen konnten Fach- und Führungskräfte mit Hochschulstudium ihr Wissen auffrischen. Sie wurden dafür von ihrer Alltagsarbeit freigestellt. Andererseits erklärten geschulte Führungskräfte ab 1984 in Form einer „Lernstatt“ in Gruppen von zehn Mitarbeitern innerhalb der Arbeitszeit Themen aus dem Arbeitsumfeld. Ziel war es, das Verständnis der Mitarbeiter für betriebliche Zusammenhänge zu verbessern und gleichzeitig die fachliche Weiterbildung zu fördern.

Gelbe Diskette und Web-Based-Trainings

Das Foto zeigt eine gelbe Floppy-Diskette, auf der ein Logo aufgeklebt ist.
Die gelbe Diskette enthielt seit 1995 das zentrale Weiterbildungsangebot für Deutschland.

Die technischen Neuerungen nahmen immer weiter zu. Im gleichen Maße modernisierten die für Weiterbildung zuständigen Abteilungen nicht nur den Inhalt, sondern auch die Art und Weise der Schulungen und der Buchung derselben. Bereits 1985 gab es in Feuerbach ein Selbstlernzentrum, in dem Mitarbeiter sich mit Hilfe von Lerndisketten Kenntnisse in der Datenverarbeitung beibrachten. Drei Jahre später rief die Geschäftsführung eine eigene Zentralstelle ins Leben, die sich mit den Grundsätzen der Mitarbeiterentwicklung beschäftigen sollte. Im Gefolge nahm die Werbung für das selbständige Lernen am Computer zu und stieß auf sehr großes Interesse. Innerhalb kürzester Zeit forderten die Mitarbeiter rund 14 000 Computer-Lernprogramme an. Bosch erweiterte das Angebot an Themen auf mehr als 200 in verschiedenen Sprachen.

Doch wie fanden Schulung und Mitarbeiter zueinander? Was uns heute altmodisch erscheint, war damals state of the art: Werner Mehrling, Leiter für Technik und Informationsverarbeitung in der Zentralstelle Weiterbildung, hatte 1995 die gelbe Diskette eingeführt. Mit ihrer Hilfe konnte sich jeder Mitarbeiter den elektronischen Schulungskatalog schnell und einfach auf den Rechner installieren und buchen. Doch die Disketten veralteten mit jedem neuen Jahresprogramm. Es sollte noch bis 2014/15 dauern, dass jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin im Computer mit dem Tool „HR-Global“ jederzeit die aktuellen Schulungen suchen und buchen konnte. Seien es Präsenzschulungen, seien es Web-Based-Trainings – der Zugang zu Weiterbildung ist heute so einfach wie nie.

Mehrere Männer sitzen um einen großen weißen Tisch und schauen zu einem Mann in weißem Kittel, der an einer schwarzen Tafel etwas erklärt.
Schulung im brasilianischen Curitiba, um 1980 (slomifoto)

Bis 2009 fanden Schulungen in erster Linie dezentral statt. Dann wurde das Bosch Training Center (BTC), gegründet, das heute zentral mit seinen Ablegern in Brasilien, den USA, in Deutschland, Indien, China und Japan für weltweit einheitliche Programme zur Mitarbeiterqualifizierung sorgt. Das Robert-Bosch-Kolleg stellt die Programme zu Leadership und Transformationsthemen wie Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und Artificial Intelligence of Things (AIoT) für Fach- und Führungskräfte bereit.

Lebenslanges Lernen

Die Geschäftsführung steht nicht nur voll hinter der Weiterbildung, sondern beteiligt sich auch selbst. Lebenslanges Lernen ist notwendiger denn je – nicht nur angesichts des Fachkräftemangels, sondern auch wegen des rasanten technischen Fortschritts und den ständigen Transformationen in der Arbeitswelt und den zukünftigen Anforderungen: „Wir sehen es als unsere unternehmerische Verantwortung, möglichst viele Mitarbeiter mit Qualifizierungsprogrammen fit für neue Aufgaben zu machen“ – so Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung. Im Oktober 2021 fand erstmalig ein seither einmaliges Lernevent statt. In den Global Days of learning konnten Boschler weltweit virtuell und informell an Schulungen von Boschlern teilnehmen – und ihr Wissen so mit anderen teilen. Global vernetzt, mit einer großen Vielfalt an unterschiedlichen Themen. „Im Fokus steht dabei das Lernen voneinander und über Silos hinweg“, sagt Arbeitsdirektorin Filiz Albrecht.

Autorin: Kathrin Fastnacht

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