Industrie für Individualisten
Die Vernetzung revolutioniert die Industrieproduktion
Maßgefertigte Schuhe, persönliches Porzellandekor oder selbst gestaltete Handyhüllen – ob Luxusprodukte oder Alltagsgegenstände, der Wunsch der Menschen nach individuellen Produkten wird immer stärker, wie das stetig wachsende Angebot zeigt.
Immer mehr Individualität
Dieses Bedürfnis ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Auch daher werden zum Beispiel die Modellpaletten der Smartphone-Produzenten immer breiter: Die Hersteller wollen auch kleinste Marktnischen abdecken. Gleiches gilt für industriell gefertigte Produkte wie Autos. Immer mehr Baureihen sollen die Kundenbedürfnisse befriedigen. Die Zahl der Ausstattungslinien wächst und ermöglich mehr Individualität.
Flexibilität als neuer Kundenservice
Doch die heutige Auswahl ist nichts im Vergleich zu den Möglichkeiten der Zukunft. Begleiten wir ein junges Paar im Jahr 2025 beim Autokauf: Beim Massagesitz sind sie sich noch nicht ganz einig, aber das Informationsdisplay hätten die beiden auf jeden Fall gerne größer. Kein Problem. Ein Fingertipp auf den Konfigurator im Autohaus oder am heimischen PC genügt. Der Bildschirm soll aber bitte auch gewölbt sein? Alles ist machbar.
Produktion der Zukunft – Industrie 4.0
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Mit einer weiteren Wischbewegung der Finger erhält das Bauteil die gewünschte Gestalt. Selbst die Bildschirmeinfassung, die erstens sehr schmal und zweitens aus matt gebürstetem Aluminium sein soll, lässt sich so selbst bestimmen. Kurz: Die Auswahlmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Kurze Zeit später nehmen unsere Autokäufer ein Unikat entgegen. Die industrielle Automobilfertigung, wie man sie heute kennt, ist davon noch meilenweit entfernt. Sie muss sich zunehmend auf die Fertigung von Einzelstücken zu den niedrigen Kosten der Massenproduktion einstellen.
Industrie 4.0
Diese Zukunft hat in Teilen bereits begonnen. Ihr Name: Industrie 4.0. Mit ihr geht ein grundsätzlicher Umbruch der industriellen Fertigung einher. Im Zentrum steht das Vernetzen von Maschinen, Bauteilen und IT-Systemen. Maschinen und Werkstücke tauschen Informationen aus, die in der Cloud verarbeitet werden.
Und die Menschen? Die Beschäftigten sind längst zu Tutoren und Programmierern geworden. Vieles läuft dabei intuitiv, denn die Maschinen der Industrie 4.0 werden über Touchscreens und leicht verständliche Bedienoberflächen gesteuert. Sprachbarrieren oder komplizierte Bedienprozesse gehören damit der Vergangenheit
„Wer mit seinem Smartphone umgehen kann, braucht hier keine Hemmungen zu haben“, erklärt Fabian Borowski. Der 29-Jährige ist ein „Digital Native“ und Industrie-4.0-Experte bei Bosch Rexroth im Werk Homburg/Saar. Dort wird seit Sommer 2014 nach den Gesetzen der vierten industriellen Revolution gefertigt.
Die vier industriellen Revolutionen
Einsatz von Maschinen – die erste industrielle Revolution
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden erste mechanische Produktionsanlagen errichtet, die von Dampfmaschinen angetrieben wurden.
Akkord- und Fließbandarbeit – die zweite industrielle Revolution
Mit der Verbreitung von elektrischem Strom wurden ab Ende des 19. Jahrhunderts die Produktionsprozesse automatisiert und deutlich höhere Kapazitäten erreicht.
Die Mikroelektronik kommt – die dritte industrielle Revolution
Um 1970 hielten die ersten Großcomputer Einzug in die industrielle Fertigung. Prozesse konnten automatisch gesteuert werden.
Das Internet der Dinge – die vierte industrielle Revolution
Die Vernetzung von Maschinen und Waren ermöglicht eine noch flexiblere Produktion und schnellere Produktanpassungen.
Heute erleben, wie in Zukunft produziert wird
Das Werk produziert Hydraulikventile – was nicht sonderlich spannend wäre, würden nicht mehr als 200 verschiedene Ventile auf einer höchst flexiblen Produktionslinie entstehen. Damit das funktioniert, werden die Ventilrohlinge mit einem RFID-Chip versehen. Die aus neun Fertigungsstationen zusammengefügte Multiproduktlinie liest ihn an jeder Station per Sensoren aus. Dann ist bekannt, was an der jeweiligen Station zu tun ist.
Mitarbeiter erhalten von den Maschinen Rückmeldungen. Greift ein Mitarbeiter zum Beispiel in eine falsche Kiste mit Schrauben, warnt das System davor, diese Schraube einzubauen. Die bereits mehrfach ausgezeichnete Produktionslinie ist bahnbrechend. „Sie vernetzt Menschen, Maschinen und Produkte“, fasst Werkleiter Frank Hess zusammen. In zehn Jahren werde dies der Industriestandard sein.
Wünsche sind nicht überall gleich
Ähnlich flexibel wird künftig alles gefertigt – auch das von dem jungen Paar gewünschte Informationsdisplay im neuen Auto. Mit dem Unterschied, dass dann noch viel mehr Wünsche berücksichtigt werden können. Diese Variantenvielfalt macht die Industrie 4.0 so interessant. Unterschiedliche Produktversionen für individuelle Wünsche können schnell erfüllt werden.
Genauso kann auf Marktveränderungen beziehungsweise -besonderheiten flexibel reagiert werden: Was in Peking ein Erfolg ist, muss nicht zwangsläufig in Tokio gut laufen – und schon gar nicht in Europa. Industrie 4.0 verleiht produzierenden Unternehmen die vom Kunden geforderte Flexibilität.
Flexibilität
Diese neue Flexibilität bedeutet nicht nur, viele verschiedene Komponenten herstellen zu können. Sie ermöglicht auch, kurzfristige Veränderungen – zum Beispiel einen spät entstandenen Kundenwunsch – „in letzter Sekunde“ doch noch in die Produktion einfließen zu lassen. Denn so sehr die Begierde nach individuellen Lösungen bei den Kunden auch steigen wird: Lange warten wollen sie auf ihre Bestellung nicht.
Fazit
Die Beschäftigten sind schon heute längst zu Tutoren und Programmierern geworden. Vieles läuft dabei intuitiv, denn die Maschinen der Industrie 4.0 werden über Touchscreens und leicht verständliche Bedienoberflächen gesteuert.