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Geschichte

Heizkonzepte für die Zukunft

Das Bosch „Tritherm“-Forschungshaus von 1976

Frontalansicht eines Hauses mit Sonnenkollektoren auf dem Dach

Ressourcenschonung und Vermeidung von Emissionen stehen heute bei der Entwicklung von Heiztechnik an vorderster Stelle, bei Bosch wie bei anderen Herstellern. Doch was sind die Wurzeln und Pionierleistungen, auf denen die heutigen technischen Erkenntnisse ruhen? Bei der Spurensuche fällt ein Projekt ins Auge, das rund 45 Jahre zurückliegt: das „Tritherm-Haus“, 1976 in Wernau gebaut, das ab 1977 zur Erforschung energieeffizienter und ressourcenschonender Thermotechnik der Zukunft diente. Ein ungewöhnliches wie visionäres Projekt.

Im Schatten der Ölkrise

Arbeitsschritt eines Arbeiters bei der Montage von Gasthermen
Stand der Technik in den 1970er Jahren: Wandhängende Gasthermen. Hier ein Fertigungsfoto von 1968

Fließend heißes Wasser und warme Heizkörper sind seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa ein Standard, zentrale Heizung und Warmwasserversorgung längst etabliert. Doch spätestens in der ersten Ölkrise 1973 wurde erkennbar, dass das nicht selbstverständlich ist: Die benötigten gängigen fossilen Energieträger wie Kohle, Öl und Gas sind endlich. Das veranlasste Forscher in vielen Bereichen, nicht nur der Heiztechnik, zur Suche nach alternativen und ressourcenschonenden Energiequellen.

Die Forschung bei Bosch ging dabei mitunter ungewöhnliche Wege. Bei der Thermotechnik wurde das ab dem Frühjahr 1976 mit einer ganz besonderen Baustelle sichtbar: Der damalige Bosch-Geschäftsbereich Junkers errichtete ein Einfamilienhaus. Aber zu was sollte das Eigenheim mitten auf dem Fabrikgelände in Wernau nahe Stuttgart gut sein?

Ein Einfamilienhaus im Werksgelände

Der Neubau war nicht als Wohnhaus oder für Büros gedacht, sondern ein Versuchsträger. Er diente dazu, die Möglichkeiten des Ressourcen- und Energiesparens mit neuester Technik unter realen Bedingungen zu beweisen.

Eine handelsübliche Zentralheizung mit dem Energieträger Flüssiggas diente nur als Reserve für die Spitzenlast, etwa sehr kalte Wintertage. Ansonsten sorgten eine Wärmepumpe mit Außenluft-Wärmetauscher, die der Außenluft Wärme entzog, und 25 Sonnenkollektoren mit rund 40 Quadratmetern Fläche für warme Zimmer und heißes Wasser. „Tritherm-Haus“ wurde dieses Konzept folgerichtig genannt, nach den drei genutzten Wärmequellen.

Die Resultate waren beeindruckend, wie damals die Forscher in den „Bosch Technischen Berichten“ 1979 schrieben – auch wenn die Finanzierbarkeit noch ein Problem war:

„Wie die bisherigen Erfahrungen und die Messergebnisse zeigen, lässt sich hiermit in unseren Klimabereichen der Brennstoffbedarf bis unter 10 Prozent des seitherigen Bedarfs senken. Die hierzu erforderlichen Investitionen stehen bei den heutigen Kosten einer breiten Einführung solcher Anlagen noch entgegen.“

Mitarbeiterin in der Produktion prüft die Flammen einer Gastherme
Qualitätsprüfung im Werk Wernau bei Stuttgart: Der Fahnenbrenner muss zuverlässig für eine bedarfsgerechte Wassererhitzung sorgen, 1968

Ein extravagantes Forschungsobjekt

Etwas extravagant sah das Haus gewiss aus. Nach Süden hin, wo die Solarthermie-Elemente montiert waren, hatte das Dach eine Neigung von 60 Grad, um die als optimal errechnete Wärmeleistung durch die Sonne zu gewährleisten. Zur wichtigen Branchenmesse „ISH“ im März 1977 konnte der Versuchsbetrieb aufgenommen werden, und im Mai wurde das Haus der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Kombination aus den drei Wärmequellen und einem Wärmespeicher war je nach Erprobungszwecken durch ein ausgeklügeltes System an Ventilen und Schaltungen unterschiedlich nutzbar. 14 verschiedene Betriebszustände konnten erprobt werden, auch der Betrieb des Hauses ganz ohne die konventionelle Gasheizung, und auch direkte Versorgung ohne Speicherung - etwa Warmwasser für das Bad durch die direkte Nutzung der Solarthermie-Anlage.

Funktionsgrafik eines Hauses mit verzeichneten Wärmequellen
Querschnitt durch das Tritherm-Haus mit der visionären Technik aus drei Quellen, 1977
„Der Brennstoffbedarf lässt sich bis unter 10 Prozent des seitherigen Bedarfs senken.“

Präsentierbare Erkenntnisse

Im Keller, zugänglich durch eine breite Rampe, befand sich die geballte Technik, darunter der Wärmespeicher und die Wärmepumpe, wie auch die Steuerungs- und Messtechnik, und im Erdgeschoss waren für die Begehungen und Vorführungen je ein Konferenz- und ein Besprechungszimmer eingerichtet, und ein großes Badezimmer als Vorführraum. Vor der Dachseite mit der Solarthermieanlage war eine Dachterrasse angelegt, so dass Besucher sie besichtigen konnten, und Handwerker ohne Gerüst andere Sonnenkollektoren zur Erprobung montieren konnten.

Das Ganze war ein Experiment für ein millionenschweres Budget, und sicherlich noch weit von der Realisierbarkeit für private Bauherren entfernt. Aber es zeigte die Möglichkeiten bis zur Grenze des damals technischen Machbaren und war damit eine bemerkenswerte Pionierleistung, die heute visionär wirkt. Zudem zeigt ein 1979 veröffentlichter Forschungsbericht, dass weit über den Tellerrand des Raum- und Wasserheizens hinausgedacht wurde. Für das Projekt wurde zusätzlich die Nutzung der Restwärme in Abwässern, etwa aus der Duschnutzung eingeplant, und auch die Mehrfachnutzung von Brauchwasser zur Einsparung des kostbaren Trinkwassers.

Forschung und ihre Umsetzung

Farbzeichnung und Teilquerschnitt eines Einfamilienhauses mit Wärmepumpe im Keller
Grafische Darstellung einer Wohnhausheizung mit Wärmepumpe, 1985

Auch wenn es noch niemand wusste: Das Tritherm-Haus war ein Vorbote eines vielversprechenden Geschäftsfeldes, auf das Bosch heute setzt: intelligentes Energiemanagement für Gebäude, das klug und nach Bedarf möglichst die Energiequellen nutzt, die nicht auf der Verbrennung fossilen Rohstoffe beruhen. Eine dabei ganz zentrale Technik, Heizen ressourcenschonend möglich zu machen und damit dem Klimawandel technologisch zu begegnen, sind Wärmepumpen. Sie entziehen der Umgebung Wärme. Das kann das Erdreich ebenso wie die Außenluft sein. Diese Technik hatte lang ein Nischendasein gefristet, solange fossile Brennstoffe günstig und die dringend nötige Kehrtwende zum Klimaschutz noch nicht ins öffentliche Bewusstsein gerückt waren.

Jetzt zahlt es sich aus, dass Bosch dieses Thema schon seit den 1970er Jahren verfolgt hat. Denn das einzige, was die Wärmepumpe an Energiebedarf hat, ist elektrischer Strom, und der lässt sich auf dem Hausdach per Photovoltaik erzeugen. Der Weg, den Bosch dabei verfolgt, ist es, das Heizen durch regenerative Energieträger und intelligente Vernetzung CO2-neutral und gleichzeitig bezahlbar zu machen.

Frau mit Smartphone vor einer Wärmepumpe von Bosch
Vernetzte Heiztechnik von Bosch heute, die auch auf Wärmepumpen setzt.

Autor: Dietrich Kuhlgatz

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