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Geschichte

Ein Jahrhundert Bosch-Horn

Unüberhörbar

Auto Wanderer 1933

Ein lauter voller Ton lockte die Besucher an den Bosch-Messestand. Das Bosch-Horn dröhnte unüberhörbar durch die riesige Halle. Nach zehnjähriger kriegsbedingter Pause fand 1921 endlich wieder die Berliner Automobilausstellung statt. In der größten Halle Europas zeigte Bosch seine neuen Zündapparate, Lichtanlagen, Öler, Scheinwerfer und Zündkerzen. Es war jedoch das neuartige Bosch-Horn, das mit seinem ungewöhnlichen Ton die Messebesucher magnetisch anzog. Unter ihnen auch Ehrengast Reichspräsident Friedrich Ebert, der ebenfalls nicht widerstehen konnte: Ein Druck auf den Schalter des Horns löste das laute Signal aus.

Lästige Hupkonzerte

Eine Hupe oder ein Horn war in Kraftfahrzeugen anfangs keine Selbstverständlichkeit. In den ersten Jahren des Automobils zogen diese noch recht exklusiven Fahrzeuge selbst schon genügend Aufmerksamkeit auf sich, so dass zusätzliches Warnen nicht nötig war. Erst als die Fahrzeuge erschwinglicher wurden und damit der Verkehr immer mehr zunahm, verschärften sich die Sicherheitsbestimmungen. Schließlich wurde das Signalgeben 1910 für die Automobilisten zur Pflicht. In den Städten vermischte sich schnell das laute Krächzen von Klaxonhupen, der Klang von schrillen Sirenen, das Tuten von Blashörnern und Auspuffpfeifen mit dem Quietschen von mechanischen Ballhupen.

Besonders auf großen Straßen und Kreuzungen wurde diese Kakophonie unerträglich. Der Lärm belästigte und erschreckte Fußgänger und weitere Verkehrsteilnehmer. Eine andere Lösung musste gefunden werden. Im April 1914 ließ Bosch zwar eine „elektrische Signalpfeife“ patentieren, jedoch ließ der Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine weitere Beschäftigung damit nicht zu. Erst Anfang 1919 nahm Bosch das Thema Horn wieder auf. Boschs Entwicklungsleiter, Gottlob Honold, stellte seine Mitarbeiter vor eine neue Aufgabe: Ein Signalgerät sollte entwickelt werden, mit großer Reichweite, leicht zu bedienen, mit geringem Stromverbrauch und in großen Mengen produzierbar. Wohlklingend sollte es sein und sein Preis niedrig.

Die ultimative Lösung

Und es klappte. Das neue Gerät gehörte zu den Summersystemen, derer es schon vorher mehrere, allerdings keine tauglichen, gegeben hatte. Bei diesem System setzte ein Elektromagnet eine Membran in Schwingung. Ein relativ reiner Ton wurde erzeugt, allerdings ohne die benötigte Reichweite. Nach langem Erproben kamen die Ingenieure auf die richtige Idee: Nach dem Prinzip der „gedeckten Pfeife“ aus dem Orgelbau wurde eine zweite Membran eingebaut, die Oberschwingungen erzeugte. Beide Töne zusammen, der Grundton und der Oberton, ergänzten und verstärkten sich und erzeugten den angenehmen, reinen Klang, der typisch wurde für Autohupen. Die Lautstärke wurde auf diese Weise so erheblich verstärkt, dass der Ton zwei Kilometer weit auf der Landstraße zu hören war.

Erster Einsatz des Bosch-Horns an einem Auto, 1921
Erster Einsatz des Bosch-Horns an einem Auto, 1921

Lärme nicht

Das Bosch Horn 1921 und eine einprägsame Werbung 1926
Das Bosch Horn 1921 und eine einprägsame Werbung 1926

Zu jeder Tages- und Nachtzeit wurde auf den Straßen gehupt. Autofahrer liebten ihr Bosch-Horn. Eingesetzt wurde es, weil ein Überholvorgang bevorstand, aber auch währenddessen. Selbstverständlich auf engen Straßen bei entgegenkommendem Verkehr, gerne auch beim Abbiegen an einer Kreuzung. Oder einfach, weil man gerne gesehen werden wollte. Kurzum, erschreckte Passanten und im Schlaf gestörte Anwohner beschwerten sich. Für den Stadtverkehr mit der damals zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde (Stuttgart, 1924) wurde zwar bald eine Drossel für einen zweiten, leiseren Ton vorgesehen, doch die Versuchung, auf den Druckschalter zu drücken, bei dem der schöne laute Klang erzeugt wurde, war zu groß. Bosch griff ein und plädierte mit inzwischen berühmt gewordenen Werbeplakaten für mehr Rücksichtnahme: „Lärme nicht. Warne mit dem Bosch-Horn“

Für Feuerwehrfahrzeuge wurde übrigens ein besonderes Bosch-Horn entwickelt. Das berühmte Tatütata entstand dadurch, dass abwechselnd ein kleines und ein großes Horn durch einen Drehschalter betätigt wurden. Doch nicht nur an Fahrzeugen fand das lautstarke Bosch-Horn seine Verwendung. Wie die Mitarbeiterzeitung Bosch-Zünder von 1927 berichtet, wurde es auf einer politischen Versammlung auch als Präsidentenglocke eingesetzt. Der stellvertretende Vorsitzende des Frankfurter Stadtparlaments versuchte vergeblich, einen erregten Abgeordneten zur Ruhe zu bringen. Schließlich setzte er das Bosch-Horn ein, das er sich in weiser Voraussicht besorgt hatte – mit Erfolg. Eine Szene, die allgemeine Heiterkeit erregte.

Das Motorrad des Stuttgarter Polizeipräsidiums ist mit dem nagelneuen Motorradhorn ausgestattet, Stuttgart 1927.
Das Motorrad des Stuttgarter Polizeipräsidiums ist mit dem nagelneuen Motorradhorn ausgestattet, Stuttgart 1927.

Konkurrenz wirbt mit „Bosch“

In der Stuttgarter Militärstraße, heute Breitscheidstraße, befand sich die Werkstatt der Robert Bosch AG, in der auch die Hörner zusammengebaut wurden. Stuttgart, 1925
In der Stuttgarter Militärstraße, heute Breitscheidstraße, befand sich die Werkstatt der Robert Bosch AG, in der auch die Hörner zusammengebaut wurden. Stuttgart, 1925

Die neue Technik setzte sich rasant durch und auch im Ausland war das Bosch-Horn rasch begehrt. Es fand so viel „Anklang“, dass es bald nicht nur bei fast allen Autos verwendet wurde, sondern auch zahlreiche Nachahmer im In- und Ausland fand. Ein besonders dreister Plagiator warb für seinen Nachbau mit dem Hinweis auf „Vollständige Nachahmung des Bosch-Horns…“ Bei Bosch trug man dies gelassen, war man sich doch der unerreichten Bosch-Qualität bewusst und dieser Slogan nicht zuletzt Werbung für das eigene Produkt. Schon ein Jahr nach dem Serienanlauf 1921 wurde das zehntausendste Bosch-Horn gefertigt, 1923 bereits das hunderttausendste, und 1929 waren es schon mehr als eine Million Hörner.

Sicherheit und Komfort

Mit der Einführung des elektrischen Bosch-Horns baute Bosch seine Entwicklung zum modernen Kraftfahrzeugausrüster aus und revolutionierte zudem die Technik der Kraftfahrzeughupen. Sein lauter und klarer Ton führte zu einem grandiosen Erfolg bei den Automobilisten. Kraftfahrzeuge wurden damit alltagstauglicher, das Fahren sicherer. Dazu trug die einfache Betätigung des Bosch-Horns bei: bequem mit einer Hand – durch das Drücken eines Druckschalters – konnte die Hupe ausgelöst werden.

Weitere Automobiltechnik wie Scheibenwischer, Servobremsen und Fahrtrichtungsanzeiger („Bosch-Winker“) folgten in den 1920er Jahren. Für Motorräder wurde eigens ein Motorradhorn entwickelt. Das formschöne Bosch-Horn jedoch, ursprünglich an der Karosserie angebracht, verschwand im Laufe der Zeit unter der Motorhaube und veränderte die Form. Wie präsent es dennoch war, zeigte, dass sein Name zum Allgemeinbegriff und sogar in den Duden aufgenommen wurde.

Rechtschreibewörterbuch Duden, Mannheim 1955
Rechtschreibewörterbuch Duden, Mannheim 1955

Autorin: Angelika Merkle

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