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Geschichte

Eine besondere Beziehung

125 Jahre Bosch in Frankreich

Blick auf den unteren Teil des Eiffelturms mit Ausstellungsgebäude und Brücke über die Seine.

Die Gründung der französischen Gesellschaft im Jahr 1899 bedeutete für den jungen Unternehmer Robert Bosch einen großen Schritt nach vorne. Seinem wichtigsten Erzeugnis, der Magnetzündung, verhalf dies zum internationalen Durchbruch. Dem rasanten Aufstieg folgten auch Rückschläge, doch die enge Verbindung, die Robert Bosch nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht zu Frankreich geknüpft hatte, prägt die Beziehung zum europäischen Nachbarn seit 125 Jahren.

„Bezüglich Frankreich finde ich, dass eine unabhängige Firma sicherlich das Beste sein wird.“
Robert Bosch, 1898

Mit seiner Magnetzündung für Automobile hatte Robert Bosch ein Produkt auf den Markt gebracht, für das er sehr gute Absatzchancen erwartete. „Ich bin mir sicher, dass ich ein Geschäft mit meiner Sache mache“, schrieb er im März 1898 an den britischen Automobilpionier Frederick Simms. Er erkannte allerdings auch, dass seine Chancen in Großbritannien und Frankreich zunächst aussichtsreicher waren als in Deutschland – so vereinbarte er mit Simms, in London die gemeinsame „Compagnie des Magnétos Simms-Bosch“ einzurichten. Es zog ihn aber ebenso stark nach Frankreich, und er war sich mit Simms im April desselben Jahres einig, „die Sache dort anzubahnen. Je früher, desto besser.“

Blick in die Ausstellunghalle mit Glaskuppel, darin Stände mit Fahrzeugen von Peugeot, Fiat und vielen mehr.
Der Pariser Autosalon war die erste Automobilausstellung von internationaler Bedeutung

Denn der französische Markt versprach, sich besonders erfolgreich zu entwickeln. In den Anfangsjahren des Automobils kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert war Frankreich führend in der neuen Branche. Paris galt als automobiles Zentrum, an keinem anderen Ort der Welt waren mehr Motorfahrzeuge unterwegs, und in keinem anderen Land gab es mehr Automobilhersteller.

Fabrikgebäude mit Aufschrift Magnétos Simms-Bosch, im Hintergrund die Spitze des Eiffelturms.
Blick in den Fabrikhof von „Magnétos Simms-Bosch“, um 1905

Am 27. Februar 1899 war es so weit: Bosch und Simms gründeten eine Vertriebsgesellschaft mit Sitz in Paris, die „Automatic Magneto Electric Ignition Co.“ Kurz darauf wurde sie in „Compagnie des Magnétos Simms-Bosch“ umbenannt. Schon in der Gründungsphase überlegte Bosch, ob er seine Magnetzündung auch in Frankreich fertigen lassen sollte, entweder durch einen Lizenznehmer oder unter eigener Regie. Die Zahlen sprachen für sich: im Jahr 1904 fuhren mehr als 80 Prozent aller in Frankreich gebauten Motorwagen mit Bosch-Zündung. Schließlich fiel die Entscheidung zugunsten der eigenen Fabrik – und damit für die erste Bosch Fertigungsstätte außerhalb Deutschlands. In Sichtweite des Eiffelturms, in der Rue Violet im Stadtteil Grenelle, begann 1905 in der neu errichteten Werkstätte die Produktion von Magnetzündern.

Die Geschäfte liefen – wie von Robert Bosch vorhergesehen – sehr gut. Nach der Trennung von Simms im Jahr 1906 firmierte die Gesellschaft unter dem Namen „Société des Magnétos Bosch“ und expandierte weiter. Im März 1909 bezog die Société größere Büro- sowie Fabrikationsräume in der Rue Théophile Gautier im Stadtteil Auteuil, wenig später eröffnete die erste Zweigniederlassung in Lyon.

Werbeplakat mit Aufschrift Lumière Bosch mit Seitenansicht eines Autos und hervorgehobenen Komponenten des Bosch-Lichts.
Werbung für das Bosch-Licht, 1914
Fabrikgebäude mit Sheddach und Aufschrift Lavalette-Bosch.
Blick auf die neue Fabrikhalle von Bosch-Lavalette in St. Ouen, 1931

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs brach der Aufschwung in Frankreich jäh ab. Sämtliche Geschäftstätigkeiten kamen zum Erliegen und die Bosch-Gesellschaft wurde vom französischen Staat enteignet. Doch bereits 1920 übernahm Fernand Péan in Paris wieder eine Vertretung für Bosch-Erzeugnisse, und ab 1928 konnte über eine Beteiligung an den Atéliers de Construction Lavalette des Grafen Henri de Lavalette die Präsenz und Fertigung im Land wieder aufgebaut werden. Nach dem Bau einer neuen Fabrik im Pariser Vorort St. Ouen nahm „Bosch-Lavalette“ 1930 dort die Produktion einer breiten Palette an Kraftfahrzeugzubehör auf. Die Zusammenarbeit der beiden Partner verlief in gutem Einvernehmen und widerstand zunächst den schwierigen politischen Umständen der Zeit.

Die instabile Lage und das Erstarken des Nationalsozialismus in Deutschland belasteten jedoch nicht nur die wirtschaftlichen Beziehungen. Auch Robert Bosch fand mit seinem großen persönlichen Einsatz für die deutsch-französische Verständigung wenig Gehör. Immer wieder warb er für das Zusammengehen von „Michel und Marianne, […] Deutschland und Frankreich“, doch bereits 1937 führte die gegen Frankreich gerichtete nationalsozialistische Außenpolitik dazu, dass die deutschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bosch-Lavalette Frankreich verlassen mussten. Nach dem Krieg kam es erneut zur Enteignung.

Bosch Messestand mit Vitrinen für verschiedene Automobilteile.
Stand auf dem Pariser Autosalon, 1951

Dank der vertrauensvollen Verbindung zu Lavalette, die auch während der Kriegsjahre nie ganz abgerissen war, konnte Bosch 1950 in Frankreich wieder Fuß fassen. Mit Unterstützung Lavalettes wurden drei kleine Vertriebsgesellschaften für Kraftfahrzeugzubehör und Kühlschränke im Großraum Paris eröffnet. Im Jahr 1958 ergab sich die Möglichkeit, eine Beteiligung an den Atéliers Lavalette zu erwerben, und am 29. September 1961 folgte die Umbenennung der Vertriebsgesellschaft SAVEM in „Robert Bosch (France) S.A.“.

Auch politisch näherten sich die beiden Nachbarländer wieder aneinander an. Die deutsch-französische Verständigung, für die sich Robert Bosch zwischen den Weltkriegen so stark gemacht hatte, begann Früchte zu tragen und leistete einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zum Zusammenschluss der europäischen Staaten.

1962 gründeten die Robert Bosch GmbH, die Atéliers Lavalette und die Firma Précisions Mécanique Labinal S.A. das Gemeinschaftsunternehmen „Les Constructeurs Associés S.A.“ (LCA) zur Produktion von Diesel-Einspritzausrüstung und anderer Kraftfahrzeugteile. Nach dem Ausscheiden von Labinal übernahm Bosch die Mehrheit an der Fertigungsgesellschaft LCA und stellte sich 1966 in Frankreich neu auf: die Vertriebsgesellschaft Robert Bosch (France) S.A. schloss sich mit der Fertigungsgesellschaft LCA zusammen. Das Unternehmen firmierte unter Robert Bosch (France) S.A. und verlegte gleichzeitig seinen Sitz an den ursprünglich 1928 eingerichteten Bosch-Lavalette-Standort in der Avenue Michelet in St. Ouen. Damit war Bosch sowohl mit einer tragfähigen Dachorganisation als auch mit seiner Fertigungskompetenz nach Frankreich zurückgekehrt.

In den folgenden Jahrzehnten etablierte sich Bosch mit seinen Unternehmens- und Geschäftsbereichen an zahlreichen Standorten im Land. Eine Reihe von Akquisitionen sowie der Aufbau neuer Geschäftseinheiten festigten die Präsenz auf dem französischen Markt. Die unter der LCA in den 1960er Jahren eingerichtete Fertigung in Rodez wurde weiter ausgebaut. 1973 begann die damalige Bosch-Tochter Blaupunkt in Mondeville mit der Produktion von Fernsehgeräten und Autoradios, später auch von Kraftfahrzeugausrüstung. 1974 konnte der Kraftfahrzeugbereich mit der Übernahme von SIGMA Diesel in Vénissieux verstärkt werden. Der Industrietechnikbereich von SIGMA mit der Produktion in Vénissieux ging im Jahr 2001 mit Rexroth auf Bosch über. Weitere Fertigungsstandorte in Moulins, Marignier und Vendôme für Kraftfahrzeugtechnik kamen in den 1990er Jahren hinzu, ebenso Werke zur Produktion von Thermotechnik in St. Thégonnec und Drancy nach der Übernahme von e.l.m. Leblanc sowie die Hausgerätefertigung in Lipsheim.

Aerial view of the factory complex, residential buildings in the background.
Seit 1962 fertigt Bosch am Standort Rodez.
Begrünter Innenhof umgeben von Industriebauten
St. Ouen: Der 1928 als Sitz von Bosch-Lavalette gegründete Standort zeigt sich heute als moderner Campus.

Im Jubiläumsjahr 2024 ist Bosch mit allen Unternehmensbereichen an zwanzig Standorten in Frankreich vertreten, sowohl mit Vertrieb, Fertigung als auch Forschung und Entwicklung. Forschung und Entwicklung sind vor allem in St. Ouen und Sophia Antipolis konzentriert. St. Ouen hat sich in den letzten Jahren von einer ehemaligen Fertigungs- und Vertriebsstätte zu einem modernen Campus entwickelt. Sophia Antipolis gehört seit 2015 zur Bosch-Gruppe und arbeitet mit rd. 100 erfahrenen Experten an der Entwicklung von Chips, die dann in Fahrzeugkomponenten wie Videosysteme und Radaranlagen für die Fahrerassistenz integriert werden. Das Team ist gerade in neue hochmoderne Räumlichkeiten umgezogen.

Der Blick zurück zeigt eine Geschichte mit Höhen und Tiefen, doch folgten auf Rückschläge neue Perspektiven. Robert Bosch wagte in Frankreich den großen Schritt, nicht nur auf den Vertrieb seiner Produkte zu setzen, sondern auch die erste internationale Fabrik aufzubauen – und traf damit eine wegweisende Entscheidung für die weitere Entwicklung seines Unternehmens.

Autorin: Bettina Simon

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