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Geschichte

Pionierjahre der Brennstoffzelle

Der lange Weg zum Durchbruch

Tanksäule mit Wasserstoffsymbol. Auto (unscharf) fährt vorbei.

Brennstoffzellen mit Wasserstoffbetrieb sind auf dem Weg, in naher Zukunft ein Stück unseres Alltags zu werden. Es gibt vielversprechende Ansätze, allerdings ist grüner Wasserstoff noch nicht in den Mengen verfügbar, die man für einen nachhaltigen Einsatz der Brennstoffzellen-Technik im großen Stil bräuchte. Bosch ist früh in die Entwicklung dieser Technik eingestiegen und entwickelt Technologien für die Erzeugung, Kompression, Speicherung und Anwendung von Wasserstoff. Ein Blick zurück in das letzte Jahrhundert zeigt die Pionierleistungen von Bosch auf dem langen Entwicklungsweg der Brennstoffzellentechnik.

Ein altes und immer wieder neues Thema

Schon im Jahr 1894 prophezeite Wilhelm Ostwald, Direktor des ersten Lehrstuhls für physikalische Chemie an der Universität Leipzig: Die elektrische Energieerzeugung der Zukunft werde nicht mehr auf den üblichen Verbrennungsvorgängen beruhen, sondern auf elektrochemischer Umsetzung, nämlich der Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff mit dem Restprodukt Wasser.

Insofern geht die Geschichte der Brennstoffzelle schon fast 130 Jahre zurück. Nimmt man die Forschung des britischen Physikers William Robert Grove hinzu, so liegt der technologische Beginn der Brennstoffzelle sogar im Jahr 1839. Denn Grove stellte bei der Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff fest, dass sich dieser Prozess auch umgekehrt betreiben ließ.

Eine neue Energiequelle?

Im Juni 1964 verfasste Werner Herrmann, damals bei Bosch Leiter des Laboratoriums für elektrochemische Spannungsquellen, den ersten wissenschaftlichen Beitrag im Unternehmen zum Thema Brennstoffzelle. Herrmann errechnete damals, dass man bei der Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff zur Erzeugung von Wärmeenergie einen Wirkungsgrad von etwa 30 Prozent erreichen kann. Bei der chemischen Reaktion von Wasserstoff- und Sauerstoffatomen zwischen zwei in Elektrolytflüssigkeit angeordneten Elektroden könne man hingegen einen Wirkungsgrad von 85 Prozent erreichen. Das waren vielversprechende Aussichten.

Technische Apparatur mit flüssigkeitsgefülltem Glaskörper
Erprobung der Funktion einer Brennstoffzelle in Laborumgebung. Foto aus dem Bosch-Geschäftsbericht 1963.

Für den Weltraum, nicht für die Straße

Herrmann sah bereits realistische Möglichkeiten für die Stromerzeugung, beispielsweise bei Weltraumprojekten, und war zuversichtlich, dass die wenigen für ihn zeitlich bereits absehbaren Anwendungen, etwa bei Transportfahrzeugen mit kleinem Aktionsradius, rasch den Weg zu breiteren Anwendungen, vor allem in Straßenfahrzeugen, ebnen würde. Zumindest bei Weltraumprojekten hatte er recht: Für die Stromerzeugung auf der Apollo 11-Mission zum Mond sorgte ein Brennstoffzellensystem des Triebwerkherstellers Pratt & Whitney.

Dass sich Werner Herrmann mit dem Thema befasste, und dass Bosch im selben Jahr schon das erste Labormuster einer Brennstoffzelle erprobte, kommt nicht von ungefähr: Denn Energiewandlung ist schon immer eine Kernkompetenz von Bosch gewesen, und die Suche nach einem höheren Wirkungsgrad bei geringem Energieverbrauch Teil der Forschungsagenda.

Das grundsätzliche Problem 1964 war nur die Umsetzung in ein serienfähiges Produkt, das leistungsfähig und haltbar war, aber auch seriell herstellbar und damit bezahlbar. Diese Hürde sollte sich durch die Pionierjahre der Brennstoffzellenforschung wie ein roter Faden ziehen – bis ins neue Jahrtausend hinein.

Technische Apparatur in Metallkasten, Innenleben sichtbar.
Versuchsweiser Aufbau einer Brennstoffzelle aus der Bosch-Forschung, um 1965

Mission: Neue Erkenntnisse sammeln

Mann mit weißem Kittel und Brille an Tisch sitzend, im Vordergrund Atommodell
Materialforscher bei Bosch an seinem Arbeitsplatz, 1964

Es war ein eng getakteter Terminplan, den Wilhelm Ilge und seine zwei mitreisenden Experten aus der Bosch-Forschung im Mai 1965 vor sich hatten. Er hatte die Mission, sich in den USA an renommierten wissenschaftlichen Instituten einen Überblick über die Fortschritte in der Batterietechnik zu verschaffen. Im Sinn hatte er dabei auch die Brennstoffzellentechnik.

Die vierte Besuchsetappe war das Battelle Institute in Columbus, Ohio. Auf dem Plan stand ein Austausch mit sechs Wissenschaftlern zur aktuellen Brennstoffzellentechnik und -forschung. Sechs Fragen hatte das Erkundungsteam schon vorab aus Stuttgart in die USA geschickt. Dabei ging es vor allem um die Frage, welche Elektrodenmaterialien und welche Elektrolyte sich am besten für die Brennstoffzelle eignen. Die Erkenntnisse sollten ihren Weg in die weitere Erforschung bei Bosch finden. Aber sie waren nur ein Puzzlestein für ein Thema, das noch lange seinen Dauerstatus als experimentelles Forschungsfeld behalten sollte.

Das erste Ergebnis

Im März 1968 stellte Bosch das erste Labormuster einer Brennstoffzelle vor. Sie war nach jahrelanger Vorarbeit als autarkes System entwickelt worden, mit einer Nennleistung von 100 Watt.

Das war, zum Vergleich, ungefähr ein Tausendstel der Leistung eines heutigen SOFC-Systems von Bosch für die Strom- und Wärmeerzeugung. Aber es ging noch nicht um hohe abrufbare Leistung, sondern um Machbarkeit, Erprobung im Dauertest und die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine serielle Fertigung. Auch war dieser Prototyp auf die Reaktion von Methan, nicht Wasserstoff, mit Sauerstoff ausgelegt, um die Energieerzeugung auch preislich attraktiv zu machen. Allerdings entstand dabei neben Wasser auch CO₂, und die Energiedichte des genutzten Erdgases war bei weitem geringer als die des Wasserstoffs.

Dunkles Metallgehäuse mit zahlreichen analogen Anzeigen und Schaltern an der Frontseite
Die erste vollfunktionsfähige Brennstoffzelle von Bosch für die Vorführung vor Wissenschaftlern und Kunden, 1968

Der Hauptvorzug der Brennstoffzellen liegt in der direkten Energieumwandlung ohne den Umweg über die Wärme wie in herkömmlichen Verbrennungsmotoren.

Entwicklungsbericht „Die Bosch-Brennstoffzelle“, 3. März 1968

Gute Aussichten, Umsetzung noch in weiter Ferne

Rund zwei Jahre später fassten vier Bosch-Forscher in der Fachzeitschrift Metalloberfläche die bisherigen Forschungsergebnisse zusammen, mit allen Vor- und Nachteilen der verschiedenen Brennstoffe und Materialien zur Erzeugung durch chemische Reaktionen in der Brennstoffzelle. Als es zu der Frage der wirtschaftlichen Aussichten der Brennstoffzellentechnik kam, mussten die vier Autoren allerdings feststellen, dass dies ein neuralgischer Punkt der Technologie geblieben war. Mit herkömmlichen Verbrennungsmethoden in Haushalt, Industrie und Verkehr war aufgrund der Rohstoffpreise die neue Technik ökonomisch bei weitem nicht konkurrenzfähig. Und ökologische Aspekte wie heute spielten damals noch keine Rolle.

Der Ausblick

Zwei Menschen mit Schutzkleidung vor Produktfertigung hinter einer Glasscheibe
Fertigung von Festoxid-Brennstoffzellen am Bosch-Standort in Bamberg, 2020

Die Entwicklung der Brennstoffzellentechnik ähnelt in vielen Aspekten der von Rückschlägen geplagten Geschichte der batteriebetriebenen vollelektrischen Fahrzeuge. Auch hier dauerte es ein halbes Jahrhundert, bis durch wissenschaftliche Fortschritte Wirtschaftlichkeit und damit ein möglicher kommerzieller Erfolg in Sichtweite rückten. In der Mobilität steht der Anlauf der Serienfertigung des Brennstoffzellen-Antriebsmodul unmittelbar bevor.

Autor: Dietrich Kuhlgatz

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