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SOFC

Dezentrale Brennstoffzellensysteme machen das Internet nachhaltiger

Bernd Schulte-Sprenger, Vorsitzender der Geschäftsführung der PASM, steht in einer Core Site der Deutschen Telekom, hat ein iPad in der Hand und schaut auf ein ins Bild eingefügtes Hologramm stationärer Brennstoffzellen, das deren digitalen Zwilling darstellt.

Der Bedarf an elektrischer Energie steigt weltweit. Gleichzeitig stellt der Klimawandel die Menschheit vor große Herausforderungen. In der Industrie sind daher Zukunftstechnologien gefragt, die sehr effizient nachhaltig Strom erzeugen. Deshalb testet die Deutsche Telekom in einem Pilotprojekt zwei stationäre Festoxid-Brennstoffzellensysteme (Solid Oxide Fuel Cells, kurz SOFC) von Bosch. Mit diesen Anlagen ist es möglich, dezentral und sehr effizient nachhaltig Strom für die Nutzung zum Beispiel in Betriebsstätten für Netztechnik zu erzeugen.

Boschs Aktivitäten im Hinblick auf die Industrialisierung und Serienentwicklung von Systemen zur dezentralen Energieversorgung auf Basis der Festoxid-Brennstoffzellentechnik (SOFC) wurden eingestellt. Die Forschungsaktivitäten zur Festoxid-Technologie setzt Bosch innerhalb seiner Konzernforschung fort. In den vergangenen zehn Jahren hat Bosch gemeinsam mit Partnern die Festoxid-Brennstoffzellentechnologie für Systeme zur dezentralen Energieversorgung weiterentwickelt. Der bisher erreichte technische Reifegrad wurde in mehr als 100 Pilotanlagen nachgewiesen. Die Erkenntnisse aus dem Betrieb der Pilotanlagen fließen in die Forschungsaktivitäten mit ein.

Viel Energieverbrauch im Internet

Blick auf grün und blau beleuchtete Kabelstränge in einer Core Site der Deutschen Telekom.
Die Infrastruktur des Web besteht aus Servern, die jede Menge Strom benötigen.

Surfen, Streamen, Social Media – das ist im Internet Alltag für Milliarden Menschen. Wäre das Internet ein Land, es würde laut einer Studie des Thinktanks The Shift Project 2019 beim Energieverbrauch im globalen Staatenvergleich auf Platz sechs landen. Um nachhaltiger zu werden, stellen viele Internetanbieter ihre Energieversorgung auf erneuerbare Quellen um, etwa auf Wind- und Sonnenenergie. Diese sind jedoch wetterabhängig, wodurch ihre Stromerzeugung zeitlichen Schwankungen unterliegt. „Für Telekommunikationskonzerne ist eine stabile und sichere Stromerzeugung elementar. Wir können uns keine Sekunde Stromausfall erlauben“, sagt Bernd Schulte-Sprenger. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung der PASM (Power and Air Condition Solution Management GmbH), einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom. Die 140 Mitarbeitenden der PASM stellen sicher, dass die „Core Sites“ genannten Betriebsstätten für Netztechnik der Deutschen Telekom jederzeit mit Energie versorgt sind, um für rund 48,5 Millionen Mobilfunk-Kundinnen und Kunden einen stabilen Mobilfunk- und Internetzugang zu gewährleisten.

Elektrische Energie zukünftig aus Wasserstoff

Bernd Schulte-Sprenger, Vorsitzender der Geschäftsführung der PASM, steht vor zwei SOFC-Anlagen und hat ein iPad in der Hand.
Bernd Schulte-Sprenger vor den SOFC-Anlagen: Die Brennstoffzellen können ein Schlüssel für ein nachhaltigeres Internet sein.

Um neue Wege für ihre Energieversorgung zu erschließen, testet die PASM an einer Core Site in Berlin eine Zukunftstechnologie. Seit Februar 2022 stehen dort zwei stationäre Festoxid-Brennstoffzellenanlagen von Bosch. Sie sind in der Lage, in einem elektrochemischen Prozess Erdgas oder Biomethan (ggf. mit einer Wasserstoff-Beimischung) in elektrische Energie umzuwandeln, wobei zusätzlich Wärme entsteht. Wird zukünftig grüner Wasserstoff in die Anlagen eingespeist, der mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wurde, kann die Strom- und Wärmeerzeugung durch die SOFC-Systeme völlig CO₂-emissionsfrei erfolgen.

Reaktionsprodukt Wärme kann zum Heizen oder Kühlen genutzt werden

Das futuristisch anmutende Gehäuse einer SOFC-Unit beherbergt mehrere Hundert Zellen, die zu sogenannten Stacks gestapelt sind. Sie sind das Herzstück der Unit; in ihr findet der elektrochemische Prozess statt. Eine SOFC-Anlage erzeugt rund zehn Kilowatt (kW) Strom und rund drei Kilowatt Wärme. Das sind im Jahr rund 80 000 Kilowattstunden (kWh) elektrische Energie. Damit könnte beispielsweise der jährliche Strombedarf von mehr als 20 Vier-Personen-Haushalten gedeckt werden. Im Umwandlungsprozess entsteht neben Strom auch Wärme. Die entstehende Wärme kann zur Beheizung von Gebäuden genutzt oder mittels Absorptionskältemaschinen in Kälte umgewandelt und dann zur Kühlung von Servern genutzt werden.

Hohe Effizienz und Betrieb mit unterschiedlichen Energieträgern

Zwei SOFC-Anlagen in der Core Site der Deutschen Telekom.
Stationäre Festoxid-Brennstoffzellensysteme in der Core Site in Berlin.

Insgesamt erreichen die Brennstoffzellen einen elektrischen Wirkungsgrad von 60 Prozent bei der Stromerzeugung. Darüber hinaus sind SOFC-Systeme bezüglich der Energieträger sehr flexibel. Im Berliner Pilotprojekt nutzt die PASM derzeit Erdgas, weil vor Ort keine Wasserstoffinfrastruktur existiert. Langfristig ist die Umstellung solcher Systeme auf nachhaltigere Energieträger möglich. Schon beim Betrieb mit Erdgas ist die SOFC-Anlage anderen Stromerzeugungsarten in puncto Umweltfreundlichkeit deutlich überlegen. Es fallen kaum Stickoxide oder Partikel an, zudem liegt der CO₂-Ausstoß um etwa zwei Drittel niedriger als bei der Kohleverstromung in Deutschland. Bei einem potenziellen Betrieb der SOFC-Anlagen mit nachhaltig erzeugtem Wasserstoff liegt der CO₂-Ausstoß bei null.

Wie funktioniert die Stromerzeugung in einer Festoxid-Brennstoffzelle?

In Festoxid-Brennstoffzellen reagiert ein Brennstoff mit Sauerstoff und setzt dabei elektrische Energie frei. In der SOFC strömt auf der Anodenseite der Brennstoff, auf der Kathodenseite Luft. Der Sauerstoff der Luft wird ionisiert und kann dann durch die Membran, den sogenannten Elektrolyten, „wandern“. Mit Wasserstoff als Energieträger verbindet sich der Sauerstoff mit dem Wasserstoff zu Wasser: eine hocheffiziente Umwandlung.
In Festoxid-Brennstoffzellen reagiert ein Brennstoff mit Sauerstoff und setzt dabei elektrische Energie frei. In der SOFC strömt auf der Anodenseite der Brennstoff, auf der Kathodenseite Luft. Der Sauerstoff der Luft wird ionisiert und kann dann durch die Membran, den sogenannten Elektrolyten, „wandern“. Mit Wasserstoff als Energieträger verbindet sich der Sauerstoff mit dem Wasserstoff zu Wasser: eine hocheffiziente Umwandlung.
Wirkungsgrad des SOFC-Systems ohne Berücksichtigung der Wärmeauskopplung im Vergleich mit anderen Stromerzeugern. (Quelle: Durchschnittlicher Brutto-Wirkungsgrad des fossilen Kraftwerkparks, Umweltbundesamt)
Wirkungsgrad des SOFC-Systems ohne Berücksichtigung der Wärmeauskopplung im Vergleich mit anderen Stromerzeugern. (Quelle: Durchschnittlicher Brutto-Wirkungsgrad des fossilen Kraftwerkparks, Umweltbundesamt) *Beginning of Life
Flexibles System: SOFC-Anlagen lassen sich mit unterschiedlichen Gasen betreiben. Bei zusätzlicher Nutzung der entstehenden Wärme steigt der Wirkungsgrad auf 85 Prozent. Die Leistung kann bedarfsgerecht auf unterschiedliche Anwendungsfelder angepasst werden. Diese sind beispielsweise Rechenzentren, Industrie, Gebäude und Stadtquartiere.
Flexibles System: SOFC-Anlagen lassen sich mit unterschiedlichen Gasen betreiben. Bei zusätzlicher Nutzung der entstehenden Wärme steigt der Wirkungsgrad auf 85 Prozent. Die Leistung kann bedarfsgerecht auf unterschiedliche Anwendungsfelder angepasst werden. Diese sind beispielsweise Rechenzentren, Industrie, Gebäude und Stadtquartiere. *Beginning of Life
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Netzverluste vermeiden

Nun ist nachhaltiger Strom für die Deutsche Telekom nichts Neues. Sie betreibt ihre mehreren hundert Core Sites in Deutschland bereits vollständig mit nachhaltiger Energie und ist an Wind- und Solarparks beteiligt. Doch der Konzern will noch mehr tun – und Innovationen wie das SOFC-System können ein Schlüssel dafür sein. Wenn elektrische Energie über Kabel und Oberleitungen des öffentlichen Netzes transportiert wird, geht unweigerlich ein Teil davon verloren. Mit den dezentralen Brennstoffzellensystemen von Bosch ist die PASM jedoch imstande, selbst Strom zu erzeugen – und zwar genau dort, wo er auch verbraucht wird. „Durch die SOFC-Systeme können wir Netzverluste vermeiden und die Energieeffizienz mit der Möglichkeit der Wärmeauskopplung an den einzelnen Standorten steigern“, sagt Bernd Schulte-Sprenger. Er betont: „Solche Innovationen sind für uns als Unternehmen und auch für die Gesellschaft zukunftsweisend.“

Bernd Schulte-Sprenger, Vorsitzender der Geschäftsführung der PASM, steht vor zwei SOFC-Anlagen und schaut in die Kamera.
Bernd Schulte-Sprenger kann mit den stationären Brennstoffzellenanlagen dort Strom erzeugen, wo er gebraucht wird.

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