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Interview mit Stefan Hartung

Technologie ist der Schlüssel

Für den Bosch-Vorsitzenden Dr. Stefan Hartung ist Technologie der Schlüssel zur Bekämpfung des Klimawandels

Porträt von Dr. Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH.

Sie leiten seit Januar eines der größten deutschen Unternehmen. Was bedeutet für Sie persönlich Verantwortung?
Verantwortung beinhaltet für mich zunächst einmal die Verpflichtung, für mein persönliches Handeln einzustehen. Aber darüber hinaus auch in meiner Aufgabe als Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung dafür zu sorgen, dass alles Notwendige getan wird, um unsere Ziele zu erreichen. Unser Gründer Robert Bosch hat uns hier mit der Sicherstellung der Eigenständigkeit, der kraftvollen Weiterentwicklung des Unternehmens und dem Anspruch, mit Bosch-Technik einen Beitrag für ein besseres Leben zu leisten, klare Orientierung gegeben.

Sie sind promovierter Ingenieur und betrachten vielleicht vieles anders als Juristen oder Ökonomen. Ist eine solche technisch geprägte Sicht hilfreich, wenn man ein Unternehmen wie Bosch führt?
In erster Linie bin ich Ingenieur geworden, weil ich mich für Technik und die Menschen hinter der Technik begeistere, nicht weil ich mir schon in jungen Jahren vorgenommen habe, einmal ein Unternehmen zu leiten. Doch jetzt ist es so gekommen, und das gibt mir die Chance, meine Technikbegeisterung wirkungsvoll in einem Hightech-Unternehmen einzubringen. So kann ich technische Trends und Potentiale erkennen, bewerten und gemeinsam mit meinem Team in der Geschäftsführung entscheiden, ob wir als Unternehmen geschäftlich einsteigen oder nicht. Dafür empfinde ich die Ausbildung zum Ingenieur als hilfreich, ja.

72 Prozent der Menschen weltweit* sagen, dass Technologie die Welt zu einem besseren Ort macht. *Repräsentativ für die allgemeine Bevölkerung in CN, DE, IN, UK & US.

Welche Rolle spielt Technologie, wenn Deutschland die Klimaziele von Paris erreichen möchte?
Wir werden die Klimaziele von Paris nur mit Hilfe von innovativer Technik erreichen können. Das sehe ich übrigens nicht allein so. Für drei von vier weltweit Befragten unseres Bosch Tech Compass ist Technologie der Schlüssel zur Bekämpfung des Klimawandels. Und ich bin davon überzeugt, dass wir auf dem Weg zum Null-CO₂-Ziel noch gar nicht alle technischen Lösungen erfunden haben, die wir brauchen werden. Da muss noch mehr kommen, und - ich bin Optimist - da wird noch mehr kommen.

Ich sehe soziale Verantwortung heutzutage in vielen Unternehmen fest verankert.

Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH

Bosch Ist dafür bekannt, sich sozial zu engagieren. Ist ein solches Engagement ein typisches Merkmal für ein Familienunternehmen?
Jedenfalls gibt es in Geschichte und Gegenwart der deutschen Wirtschaft viele Beispiele für verantwortungsvoll handelnde Familienunternehmen. Robert Bosch waren soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt wichtige Anliegen. Dieses Engagement setzen wir als Unternehmen und über die Stiftung in seinem Geiste fort. Ich sehe soziale Verantwortung heutzutage aber in vielen Unternehmen fest verankert - unabhängig von Rechts- und Organisationsform.

Was trägt Bosch intern dazu bei, die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen?
Die größte Herausforderung unserer Zeit ist der Klimawandel, der kein Zögern oder Aufschieben erlaubt. Bosch geht voran und zeigt bereits seit Februar 2020, dass ein global aufgestelltes Industrieunternehmen weltweit klimaneutral produzieren kann. Unsere Erfahrungen geben wir an andere Unternehmen weiter, die es uns gleichtun wollen. Gleichzeitig tragen wir auch mit unseren Produkten zu einem nachhaltigeren Leben bei.

Ihr Claim lautet „Technik fürs Leben“, und Ihre Produkte finden sich In vielen Produkten anderer Firmen wieder. Bringt das eine besondere Verantwortung mit sich, denn Sie ermöglichen damit ja eine enorme Hebelwirkung, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
Jeder Einzelne, jede Institution hat Verantwortung für Nachhaltigkeit. Und auch nur, wenn wir das als gesamtgesellschaftliche und globale Aufgabe begreifen, haben wir überhaupt eine Chance. Als Bosch sind wir uns unserer Verantwortung bewusst - auch der als Vorreiter und Vorbild für andere. Wir leisten unseren Beitrag.

Neues und Unbekanntes anzunehmen, sich darauf einzulassen und dazuzulernen, ist essentiell wichtig.

Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH

Welche neuen Anforderungen werden auf die Mitarbeiter zukommen, und kann Bosch dem entsprechen?
Vor allem die Anforderung, offen zu bleiben für Veränderungen. Wir leben in einer komplexen und sich dynamisch verändernden Welt. Das zwingt uns als Unternehmen immer wieder zu Anpassungen, weil neue Geschäftsfelder entstehen, alte sich wesentlich verändern oder gar ganz wegbrechen. Die Bereitschaft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Neues und Unbekanntes anzunehmen, sich darauf einzulassen und dazuzulernen, ist also essentiell wichtig. Bei Bosch haben wir bereits vor Jahren das Selbstverständnis als Learning Company ausgerufen mit vielfältigen Angeboten und Maßnahmen fürs lebenslange Lernen. Die Qualifizierung und Weiterbildung unserer Belegschaft haben wir uns in den vergangenen fünf Jahren eine Milliarde Euro kosten lassen.

Die Automobilindustrie ist eine Ihrer wichtigsten Branchen. Was kann Bosch hier leisten, um die Mobilität der Zukunft nachhaltiger zu machen?
Zum Bosch-Beitrag gehört unter anderem, dass wir wirklich technologieoffen bleiben. Wir bieten für jede Anwendung die passende Lösung. In unserer Antriebssparte beispielsweise investieren wir deshalb nicht nur massiv in die Elektromobilität. Gleichzeitig entwickeln wir gezielt unsere Komponenten für klassische Verbrennungsmotoren weiter, weil auch sie noch viele Jahrzehnte gebraucht und deshalb zum Schutz von Klima und Umwelt immer wieder auf den technisch neuesten Stand gebracht werden müssen.

Dr. Stefan Hartung, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH während eines Interviews.

Halten Sie den Elektroantrieb für die Lösung der Zukunft in der Automobilindustrie, wenn man die Klimaneutralität als zentrales Ziel vorgibt?
Ja und nein. Es kommt immer auch auf die Rahmenbedingungen an. Wenn es uns in Europa gelingt, die Infrastruktur mit Ladesäulen und H2-Tankstellen zügiger auszubauen sowie Strom und Wasserstoff nachhaltig bereitzustellen, ist der Elektroantrieb mit Batterie und Brennstoffzelle hier ganz klar die erste Wahl. In Afrika, Südamerika und Teilen Asiens sieht die Sache auf Jahre hinaus noch deutlich anders aus. Dort fehlen vielfach die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Elektromobilität noch komplett. Wir werden in diesen Regionen also weiter den Verbrennungsmotor benötigen - hocheffizient und mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben. Solche Kraftstoffe können darüber hinaus auch im Fahrzeugbestand eingesetzt werden sowie Flug- und Schiffsverkehr klimaneutral machen.

Wie können wir die benötigte Energie für die vielen E-Autos klimaneutral bereitstellen?
Es sind ja nicht nur Fahrzeuge, die Energie benötigen, sondern auch die Industrie und die Privathaushalte. Alles muss mit klimaneutraler Energie versorgt werden. Das wird auch in Zukunft nur über Energieimporte funktionieren. Statt fossilem Öl und Gas werden wir grünen Wasserstoff importieren. Das Gute ist, dass es Weltregionen gibt, die zum Beispiel aufgrund einer hohen Anzahl an Sonnenstunden ideale Voraussetzungen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff haben. Und die vorhandenen Erdgas-Netze lassen sich wunderbar für die Verteilung nutzen. Allerdings müssen wir jetzt massiv den Aufbau der Lieferketten vorantreiben.

76 Prozent der Befragten* sind der Meinung, dass der technologische Fortschritt eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen wird. *Repräsentativ für die allgemeine Bevölkerung in CN, DE, IN, UK & US.

An welchen - vielleicht bahnbrechenden – Produkten arbeitet Bosch gerade?
Ob eine Innovation bahnbrechend ist oder nicht, lässt sich in der Regel erst in der Rückschau richtig beurteilen. Die Bosch- Liste jedenfalls ist lang. Unser elektronischer Schleuderschutz ESP, der bis heute rund 15 000 Menschenleben gerettet hat, der Bosch-Halbleiterprozess für mikroelektromechanische Sensoren oder unser zu Beginn der Pandemie in nur sechs Wochen entwickelter Corona-PCR-Schnelltest, um Ihnen nur ein paar Beispiele zu nennen. Wir geben jedes Jahr mehrere Milliarden für Forschung und Entwicklung aus. Wenn ich mir unsere Fortschritte bei Software und Künstlicher Intelligenz anschaue, kann ich Ihnen versprechen, die Liste wird noch sehr viel länger.

Dieses Interview erschien im Magazin des F.A.Z.-Instituts.

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