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Rohstoffe im Kreislauf

Ressourcen sparen, Lieferketten sichern, Wettbewerbsfähigkeit stärken

Wie Hartmetallrecycling bei Bosch Schule macht

Mann in Fabrikhalle hält faustgroßen metallischen Gegenstand in der Hand nach oben und blickt hinauf zu dem Objekt.

Ein ganz spezieller Rohstoffeinkäufer

Dietmar Burkhart macht seine Arbeit bei Bosch mit Herzblut, und das seit gut 30 Jahren. Der Diplom-Betriebswirt von der schwäbischen Alb in Süddeutschland arbeitete lange nahe seiner Heimat, in Reutlingen im Bereich Automobilelektronik, und wechselte dann zu Bosch in der Schweiz, wo er heute für den Geschäftsbereich Power Tools im Produktbereich Accessories als Rohstoffeinkäufer arbeitet. Er arbeitet mit Leidenschaft daran, Potenziale zu suchen, um die Wettbewerbsfähigkeit seines Geschäftsbereichs zu sichern. Dazu gehört vor allem, Kosten im Blick zu halten.

Burkhart erkannte vor mehr als einem Jahrzehnt das große Potenzial bei der Verwertung von Hartmetallwertstoffen. Diese entstehen zum Beispiel an Fertigungsstandorten des Geschäftsbereichs Power Tools, wo Sägeblätter hergestellt werden. Der Hauptstandort für dieses Produkt ist die italienische Stadt Udine, mit den Fertigungswerken in den nahegelegenen Gemeinden Martignacco und Fagagna.

Mann in dunkler Jacke steht lächelnd vor blauem Fass, helle Schaufel mit schwarzem Pulver in der rechten Hand.
Dietmar Burkhart im Werk Martignacco bei Udine, mit einem ganz speziellen Stoff: Hartmetallpulver, für dessen Einkauf er zuständig ist.
Mann in Fabrikhalle hält zwei faustgroße metallische Gegenstände in den Händen.
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Hartmetall ist nie Abfall

Im einen Werk, Martignacco, werden Hartmetallspitzen für Sägeblätter produziert. Das Hartmetallpulver wird in der benötigten Formgebung der Spitzen für die Sägeblätter gepresst und dann im Sinterofen gehärtet. Im anderen Werk Fagagna werden die Hartmetallspitzen dann auf die gefertigten Sägeblätter gelötet. Danach folgt ein Schleifprozess. Das Hartmetall ist ein Gemisch aus viel Wolframkarbid und etwas Kobalt, denn nur so sägt das Sägeblatt gut und lange. Aber was macht man mit dem, was beim Fertigungsprozess übrigbleibt? Das Material ist teuer. Deswegen sind die Reste, die bei der Herstellung vor allem durch Abrieb beim Schleifen übrigbleiben, viel zu schade, um sie wegzuwerfen.

Bislang, so erzählt Burkhart, wurden die Hartmetallreste an Wertstoffhändler verkauft. Der Wertstoffhändler verkaufte die Hartmetalle weiter, und nach einigen Stationen kaufte sie ein Spezialist zur Wiederaufbereitung auf. Bosch wiederum erwarb für die Produktion Hartmetallpulver von Pulverherstellern, unabhängig davon, ob es aus wiederaufbereitetem Material stammte oder als Primärrohstoff in einer Mine abgebaut worden war.

Frau mit blonder Kurzhaarfrisur und Brille im Gespräch mit mehreren Menschen vor großem Bildschirm.
Martina Hinze, die Standortverantwortliche in Udine, spricht täglich mit den Fertigungsverantwortlichen die aktuellen Zahlen aus der Fertigung durch.

Aufbereiten und Wiederverwenden

An diesem Punkt setzte der gewiefte Schwabe vor rund zehn Jahren an: Hochwertiges recyclingfähiges Material nach dem Fertigungsprozess im Bosch-Werk nicht einfach für einen geringen Preis abzugeben, sondern in Eigenregie mit Partnerbetrieben für den erneuten Einsatz nutzbar zu machen.

Wir können mit unserem Ansatz zur Stärkung einer Kreislaufwirtschaft nicht nur ressourcenschonender arbeiten, indem wir wiederverwerten. Wir können auch unsere Lieferkettenresilienz verbessern und unsere Kosten wettbewerbsfähig halten.

Dietmar Burkhart

So kam es zu der Initiative am Standort Udine, wie sie heute praktiziert wird. Bosch bereitet die beim Fertigungsprozess übrig gebliebenen Materialien bis zu einem gewissen Grad für das Recycling auf. Späne, Schleifschlamm und Pulver werden entölt und zu faustgroßen zylindrischen Pellets gepresst. Danach verkauft Bosch das Material einem Recycling-Spezialisten für einen festgelegten Preis. Nachdem der Dienstleister es wieder zu verwendbarem Rohstoff aufgearbeitet hat, kauft Bosch es zurück, um es dann erneut in den Fertigungsprozess einzubinden. Die andere Variante: Bosch gibt das Material kostenlos beim Dienstleister ab und bezahlt bei der Rücknahme des wieder fertigungstauglichen Materials nur den Recyclingprozess.

Mann mit Vollbart sitzt an Arbeitstisch und hält einen kleinen Gegenstand mit einer Zange in der Hand.
Piero Lupetin leitet am Standort Udine das Team für die Hartmetallentwicklung. Er muss für die richtige Zusammensetzung der Rohstoffe sorgen, aus denen Hartmetallspitzen für Elektrowerkzeugzubehör gefertigt werden und prüft das kontinuierlich in seinem speziell ausgestatteten Labor.

Einen Kreislaufprozess etablieren

Mit Michael Zeiher fand Burkhart einen der ersten Mitstreiter. Der Kollege aus dem internationalen Einkauf verfügte über Erfahrung mit dem Verkauf von Stoffen, die bei der Fertigung in Prozessen wie Sägen oder Schleifen in Bosch-Produktionsstätten anfallen, auch Hartmetallen. Zeiher war es, der die Türen für die international übergreifende Zusammenarbeit von Bosch-Standorten bei der Hartmetallverwertung öffnete. Bei ihm laufen die Informationen zusammen, an welchen Standorten welche Wertstoffe anfallen. Zeiher wusste, wo sich geeignete Hartmetalle beschaffen lassen, bei denen es sich lohnt, sie wieder in den Fertigungsprozess einzubinden. Gemeinsam mit Burkhart übernahm er die Aufgabe, den Ankauf der Wertstoffe für die Fertigung von Hartmetallprodukten bei Bosch Power Tools zu organisieren. Mittlerweile sind 20 Bosch-Standorte aus ganz Europa an der Initiative beteiligt.

Teamarbeit ist Trumpf

Mann blickt aus gebückter Haltung lächelnd über eine Maschine mit Kabeln und Leitungen frontal auf den Fotografen.
Massimo Tolazzi, Entwicklungsleiter für Sägeblätter, wirft einen Blick auf das Ergebnis seiner Vorarbeit: Die Fertigstellung von Sägeblättern mit dem Auflöten der Hartmetallspitzen für besseren und dauerhaft guten Schnitt.

Ein Projekt erfolgreich umzusetzen, ist bei Bosch nie die Sache von Einzelkämpfern. Es müssen Menschen gefunden werden, die die Idee mittragen, weil sie von ihr überzeugt sind. Dazu gehören Profis in unterschiedlichen Gebieten – von der Forschung bis zur Fertigung. Piero Lupetin ist einer von ihnen. Er ist Teamleiter der Hartmetallentwicklung und Spezialist für Rohmaterialien in Udine, und muss dafür sorgen, dass das Hartmetallpulver die erforderliche Qualität für die Fertigung hat. Lupetin konnte sich überzeugen, dass das Verfahren, einen Recyclingprozess einzuführen, keinerlei negative Auswirkungen auf die Qualität des Rohstoffs und des Endprodukts hat. „In seiner Materialqualität ist das Hartmetallpulver aus Rezyklat auf dem Niveau des Materials, das aus der Mine gewonnen wird“, so Lupetin.

Von einer anderen Entscheidungsinstanz, der Produktentwicklung, musste das Projekt auch grünes Licht bekommen. Massimo Tolazzi, Entwicklungsleiter für das Endprodukt Sägeblätter, weiß, dass die Hartmetallspitzen auch mit dem neuen Verfahren zur Rohstoffnutzung die höchsten Anforderungen an die Produktqualität erfüllen. „Wir stellen damit sicher“, so Tolazzi, „dass sich Nutzerinnen und Nutzer bei Schnittqualität und Haltbarkeit unserer Produkte auf uns verlassen können.“

Mann mit Vollbart hält kleines Objekt mit Pinzette vor sich.
Materialentwicklungsleiter Piero Lupetin sichtet im Werk Martignacco bei Udine aus Pulver gepresste Hartmetallspitzen, bevor diese durch Sintern den nötigen Härtegrad für die Verwendung an Sägeblättern erhalten.

Ein neues Verfahren muss auch Rückhalt bei jenen finden, die dafür verantwortlich sind, dass alles, was ein Werk verlässt, den eigenen hohen Erwartungen an Qualität entspricht. Deswegen steht auch Martina Hinze hinter der Entscheidung, den Recyclingprozess bei der Hartmetallverarbeitung fest zu etablieren. Die Standortverantwortliche in Udine ist überzeugt, dass sich dieses Konzept kräftig weiterentwickeln wird. „Unsere Standorte Fagagna und Martignacco bei Udine stehen nicht nur für Hartmetallkompetenz, sondern nehmen im Fertigungsverbund von Bosch Power Tools beim Recycling hochwertiger Stoffe eine Pionierrolle ein. Mit unseren Erfahrungen können wir Wissen gewinnen, das sich auch in anderen Bereichen bei Bosch einsetzen lässt. Darauf sind wir hier in Udine stolz.“

Nachhaltigkeit und Lieferketten

Frau mit blonder Kurzhaarfrisur und Brille hält große weiße Plastikdose in der Hand.
Martina Hinze ist keine Qualitätsmanagerin, aber verantwortlich für die vier Werke des Standortes Udine. Sie trägt daher die Gesamtverantwortung die optimale Produktqualität, und von der macht sie sich hier ein Bild.

Diese Pionierrolle beschränkt sich aber nicht nur auf die Fertigungsanforderungen und Kostenreduzierung. Der neue Prozess ist auch im Sinne der Nachhaltigkeit ein wichtiger Schritt. Denn je mehr wiederverwendet werden kann, desto weniger neue Rohstoffe müssen abgebaut werden.

Doch es gibt noch einen dritten Grund, sich für dieses Projekt einzusetzen, wie Dietmar Burkhart berichtet: „Wir können mit unserem Ansatz zur Stärkung einer Kreislaufwirtschaft nicht nur ressourcenschonender arbeiten, indem wir wiederverwerten. Wir können auch unsere Lieferkettenresilienz verbessern.“ Je weniger Bosch auf dem freien Markt einkaufen muss, desto weniger abhängig ist das Unternehmen von den fragilen weltweiten Lieferketten. Das ist immer wieder eine Herausforderung. Bei der Blockade des Suez-Kanals wurde sichtbar, wie schnell bei Lieferketten eine kritische Situation entstehen kann.

Die erfreuliche Bilanz ist, dass zum Beispiel in Udine, wo dieses Projekt begann, mittlerweile schon 20 Prozent des angelieferten Hartmetallpulvers aus recycelten Materialien aus Bosch-Quellen stammen. Dazu trägt auch bei, dass sich zahlreiche Bosch-Standorte beteiligen und ihre Hartmetall-Wertstoffe in diese Kreislaufwirtschaft einfädeln.

„Unterscheiden“, so sagt Piero Lupetin, der Materialspezialist in Udine, „kann man Rohmaterial aus der Mine und das Sekundärmaterial aus der Aufarbeitung nicht.“ Denn beides, nicht nur das Rezyklat, durchläuft einen aufwändigen Prozess, um höchste Qualität für die Herstellung des Elektrowerkzeug-Zubehörs zu gewährleisten.

Mann mit Brille, der kreisrundes Objekt mit Zacken ansieht.
Massimo Tolazzi bei der Sichtprüfung am Fertigungsstandort Fagagna nahe Udine. Tolazzi muss sicherstellen, dass Sägeblätter für verschiedenste Anwendungen mit den für sie optimierten Hartmetallspitzen gefertigt werden.

Kreislaufwirtschaft, auch über Bosch Power Tools hinaus

Die Perspektive für das Hartmetallrecycling bei Bosch ist, den Anteil von 20 Prozent zu verdoppeln. Das ist ein wichtiger Beitrag, um die Kreislaufwirtschaft weiter zu verstärken und die Lieferkettensicherheit zu erhöhen.

Aber dieses Projekt für Hartmetallrecycling ist kein Einzelfall. Im Rahmen seiner Strategie zur Kreislaufwirtschaft fokussiert Bosch sich auf drei Säulen: das Materialrecycling, aber auch Materialeffizienz und „Second Life“. Während Materialeffizienz das Reduzieren des Rohstoffeinsatzes meint, steht der Begriff Second Life für die Verlängerung des Produktlebens durch Wiederverwendung, Reparierbarkeit und Wiederaufarbeitung.

Das Projekt am Standort Udine ist ein wichtiger Meilenstein für die dritte Säule der Kreislaufwirtschaft, das Materialrecycling. Und dieses Pilotprojekt, das bereits 2013 startete, hat vielversprechende Perspektiven. Aus den heute beteiligten Standorten werden bald schon 30 geworden sein, und nicht nur von Bosch Power Tools. Auch andere Geschäftsbereiche mit Standorten in ganz Europa sind dabei.

Zwei Männer, einer mit Brille und Bart, stehen in einer Fabrikhalle. Der andere hält einen faustgroßen metallischen Gegenstand in der Hand, den sie beide betrachten.
Dietmar Burkhart sichtet mit seinem Kollegen Attilo Guatterini Hartmetallpellets, die im Werk Fagagna bei der Fertigung aus Hartmetallresten gewonnen und durch Entölen und Pressen zum Recyceln aufbereitet werden.

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