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CEO-Blog

Mobilität im Wandel

Warum nachhaltige Mobilität nicht nur eine Frage der Technik ist

Porträt von Bosch-CEO Stefan Hartung. Im Hintergrund ist eine Autobahn zu sehen.

10.09.2023

Mobilität ist viel mehr als nur von A nach B zu kommen. Mobilität bedeutet Austausch, Dialog, Zusammenarbeit über räumliche Grenzen hinweg. Soziale Systeme wie Bildung und Arbeit können ohne Mobilität nicht funktionieren. Der weltweite Handel mit Waren und Dienstleistungen ist die Grundlage unseres Wirtschaftssystems. Mobilität ist der entscheidende Schlüssel zur Vielfalt unserer Lebensstile.

von Stefan Hartung

Seit es die moderne Mobilität gibt, bewegt sie sich im Spannungsfeld von Gleichheit und Freiheit, irgendwo zwischen überfüllten U-Bahnen im Morgengrauen und endlosen Highways im Sonnenuntergang. Mobilität kann einerseits nur gemeinsam gedacht und gestaltet werden, ist andererseits aber überwiegend eine ganz persönliche Erfahrung und ein menschliches Grundbedürfnis. Wir bewegen uns ja nicht nur, weil wir müssen. Sondern weil wir neugierig sind. Weil wir den Wunsch nach Wachstum und Wohlstand in uns spüren. Weil wir frei und unabhängig sein wollen.

Dieser Zusammenhang zwischen dem menschlichen Streben nach Freiheit und individueller Mobilität wird meiner Meinung nach in der aktuellen Diskussion nicht immer ausreichend gewürdigt. Stattdessen sprechen wir – vor allem in Deutschland und Europa – meist lieber über Verbote und Vorgaben. Angeheizt wird die Debatte zudem durch lautstark vorgetragene Argumente, die eher von ideologischen Vorbehalten als von wirtschaftlichen oder technischen Fakten geleitet sind. Dabei sind wir uns doch grundsätzlich einig: Wir wollen eine nachhaltige, emissionsfreie Mobilität. Dass die Emotionen trotzdem so häufig hochkochen, beweist in meinen Augen deshalb vor allem eines: die entscheidende Bedeutung, die wir einer individuell gestaltbaren Mobilität für unser selbstbestimmtes Leben zumessen.

Und genau deshalb müssen wir die Mobilität von heute nachhaltig gestalten. Denn Mobilität ohne Einschränkungen – und damit eine freie Gesellschaft – können wir uns auf Dauer natürlich nur leisten, wenn sie ohne negative Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen bleibt.

Verzicht auf Mobilität bedeutet Verzicht auf Wohlstand und Freiheit

Wir brauchen die nachhaltige Mobilität also nicht nur, weil wir umweltgerecht und klimabewusst handeln wollen. Wir brauchen sie vielmehr auch, wenn wir unser Leben auch in Zukunft noch so individuell und unabhängig gestalten wollen wie heute. Dabei gilt: Wer die Grenzen seiner Freiheit nicht kennt, handelt rücksichts- und verantwortungslos. Genauso unsolidarisch und kurzsichtig jedoch zeigen sich jene, die Mobilität radikal begrenzen und in einigen Bereichen sogar verbieten wollen. Denn der Verzicht auf Mobilität bedeutet auch Verzicht auf Wohlstand und Freiheit. Und zwar nicht nur für die Verkehrsteilnehmer, sondern für alle Menschen. Das gilt ganz besonders für die weniger gut gestellten Länder.

Eine Frau steht neben ihrem Auto und schaut in die ferne Natur.
Ein Mann lehnt telefonierend an seinem Auto und schaut zu, wie dieses gerade auftankt.

Wir müssen den Wandel der Mobilität also mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln vorantreiben. In Deutschland, in Europa und überall dort, wo es möglich ist. Wunschdenken wird uns dabei nicht helfen. Technik hingegen schon. Ich bin überzeugt: Wenn wir den Klimawandel wirksam bekämpfen wollen, und wenn wir dabei auch weiterhin unser modernes Leben führen wollen, dann gibt es dafür kein besseres Mittel als den freien Wettbewerb um die besten Technologien. Und dieser Wettbewerb ist selbstverständlich ein weltweiter Wettbewerb. Das Klima kennt keine Grenzen und kümmert sich nicht um nationale CO₂-Berechnungen. Nur die globale Bilanz zählt – was bedeutet, dass die technischen Lösungen genauso vielfältig sein müssen wie die Regionen und Straßen dieser Welt.

Die Vielfalt der Mobilitätslösungen verstehen

Wir sind uns einig: Die Antriebe von morgen werden klimaneutral sein. Sie werden aber keineswegs überall die gleichen sein. Und gerade global agierende Technologieunternehmen stehen in der Verantwortung, diese Vielfalt der Mobilität zu verstehen und jede Anwendung optimal zu bedienen. Wir brauchen also für jede Anwendung, für jede Region die ideale Lösung. Deshalb haben wir bei Bosch nicht nur eine einzige Technologie im Blick, sondern die Transformation der Mobilität generell. Zum Beispiel beim Antrieb: Die Elektromobilität gehört bei uns zum Kerngeschäft und wächst kräftig, vor allem in China. Unser weltweiter Umsatz in diesem Bereich dürfte in drei Jahren bei rund sechs Milliarden Euro liegen – und noch in diesem Jahr wird sich unser Absatz bei Elektromotoren für den automobilen Antrieb nahezu verdoppeln.

Die Elektromobilität gehört bei uns zum Kerngeschäft und wächst kräftig, vor allem in China. Unser weltweiter Umsatz in diesem Bereich dürfte in drei Jahren bei rund sechs Milliarden Euro liegen.

Stefan Hartung, Vorsitzender der Bosch Geschäftsführung

Auch bei der Brennstoffzelle kommen wir gut voran: Seit einigen Wochen fertigen wir in unserem Werk in Stuttgart Brennstoffzellen-Antriebssysteme in Serie. In China ist die Fertigung ebenfalls angelaufen – und auch in den USA wollen wir Stacks für mobile Anwendungen herstellen. Wir gehen davon aus, dass schon 2030 jedes fünfte neue Nutzfahrzeug ab sechs Tonnen weltweit mit einem Brennstoffzellen-Antrieb unterwegs sein wird.

Rendering eines Autos, das zwischen stilisierten grünen Balken hindurchfährt. Daneben springt ein junger Mann durch die Luft.

Neue Antriebe brauchen neue Infrastruktur

Und es gibt noch andere Lösungen. Etwa den Wasserstoffmotor. Der ist vor allem für schwere Fahrzeuge geeignet, die über längere Zeit mit besonders hohen Lasten unterwegs sind. Dabei ist der Wasserstoffmotor CO₂-neutral und basiert zu 90 Prozent auf vorhandenen Technologien. Bei Bosch laufen bereits vier Serienprojekte, der Markteintritt könnte vielleicht sogar schon im kommenden Jahr erfolgen. Aber: Neue Antriebe brauchen neue Infrastruktur. Und den entsprechenden politischen Willen. Gerade in Europa müssen wir hier an Tempo und Tatkraft zulegen – insbesondere beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft.

Wir bei Bosch wollen jedenfalls auch zu ihrem Entstehen beitragen: Ab 2025 werden wir unsere PEM-Stacks auf den Markt bringen. Der Stack ist das Herzstück einer Elektrolyseanlage und kann pro Stunde rund 23 Kilogramm Wasserstoff produzieren. Eine klimaneutrale Welt – davon sind wir fest überzeugt – kann es nur mit Wasserstoff geben.

23 Kilogramm

Wasserstoff pro Stunde kann mit einem PEM-Stack als Herzstück einer Elektrolyseanlage produziert werden

Software-definierte Fahrzeuge verändern das Fahrerlebnis

Rendering einer Frau, die ihr Smartphone vor ein Auto hält. Um das Auto herum schwebt Software-Code.

Der Wandel der Mobilität, das wissen wir hier alle, reicht natürlich weit über den Antrieb hinaus. Und es geht auch nicht allein um Nachhaltigkeit: Software-definierte Fahrzeuge werden das Erlebnis bei der Nutzung und die Wertschöpfungsketten massiv verändern, hinzu kommen das Automatisierte Fahren und neue Mobilitätskonzepte. Der Markt für Automobilsoftware erreicht 2030 voraussichtlich ein Volumen von deutlich mehr als 200 Milliarden Euro – eine Verdreifachung gegenüber 2020. Bosch wächst in diesem Markt aktuell mit zweistelligen Raten. Und in der Forschung und Entwicklung von Bosch Mobility sind bereits heute mehr als die Hälfte der Mitarbeiter Software-Entwickler.

Bosch ist längst nicht mehr nur ein großer Technologiekonzern und Automobilzulieferer, sondern wird immer mehr auch zum Softwareunternehmen. Wir wollen – gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern – die Mobilität in eine neue technische Ära führen, wollen die Welt bewegen und natürlich auch die Nummer eins unter den Zulieferern bleiben.

Wir wollen gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern die Mobilität in eine neue technische Ära führen, wollen die Welt bewegen und natürlich auch die Nummer eins unter den Zulieferern bleiben.

Stefan Hartung, Vorsitzender der Bosch Geschäftsführung

Deshalb haben wir uns bei Bosch Mobility völlig neu aufgestellt – die neue Organisation ist nun noch besser auf unsere Kunden und Märkte ausgerichtet: Bosch wird – und daran arbeiten wir derzeit alle mit Hochdruck – schon bald spürbar schneller, flexibler und anpassungsfähiger sein. Eines aber wird bleiben: Unser hoher Anspruch an uns selbst. Unsere Kunden und Partner erwarten von uns innovative, nachhaltige und wirtschaftlich erfolgreiche Produkte und Lösungen in ausgezeichneter Qualität. Und unser Ziel ist es, zu liefern.

Die Schlüssel zum Fortschritt: Motivation und Innovation

Auf der IAA 2023 sehen wir, was technisch schon möglich ist und was wir bald erwarten können. Ich bin fasziniert von dem, was ich gesehen habe: Als Ingenieur, als Manager, vor allem aber als Mensch: Wir kommen zumindest in unserer Branche der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel immer näher – ohne dabei auf allzu viele Errungenschaften einer modernen Gesellschaft verzichten zu müssen.

Zu lange haben wir die weniger erfreulichen Begleiterscheinungen der Mobilität in Kauf genommen, darunter vermeidbare Unfälle und Luftverschmutzung. In beiden Bereichen sind große Fortschritte erzielt worden. Bald werden neue Antriebe und smarte, vernetzte Autos den Straßenverkehr so sicher und nachhaltig machen wie nie zuvor. Motivation und Innovation sind hier die Schlüssel zum Fortschritt.

Der menschliche Erfindergeist braucht Freiräume. Und natürlich Anreize. Auch in Zukunft muss Mobilität ein attraktiver Markt sein. Nur so können die erheblichen Vorleistungen verdient werden. Wenn sich aber zum angestrebten wirtschaftlichen Erfolg noch ein klares Verständnis vom eigenen gesellschaftlichen Leistungsbeitrag hinzugesellt, dann ist die Motivation noch größer, dann ist noch viel mehr möglich.

Rendering eines futuristischen Weges

Wirtschaftlicher Erfolg allein reicht nicht

Bei Bosch haben wir diesen Gedanken in unserem Motto „Technik fürs Leben“ verdichtet. Das bedeutet, dass uns der wirtschaftliche Erfolg allein nicht reicht. Wir wollen einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und so tatsächlich die Welt auch ein wenig besser machen. Diesem Anspruch folgen wir auch bei unseren Beiträgen für die nachhaltige Transformation der Mobilität – zum Beispiel mit unserem ABS für eBikes, das schnelles und sicheres Bremsen auch bei voller Beladung ermöglicht.

Unsere gesamte Branche steht an der Schwelle zu einer neuen Ära. Eine Ära, in welcher der wirtschaftliche Erfolg des einzelnen auch zu einem Gewinn für die ganze Gesellschaft werden kann. Das bedeutet nicht, dass es keiner gewaltigen Anstrengungen bedarf. Wir alle wissen: Hinter der nächsten Herausforderung wartet die übernächste. Aber unsere individuelle Freiheit können wir uns eben nur mit einer nachhaltigen Mobilität erhalten – das sollte uns jede Anstrengung wert sein.

Dieser Umbruch ist herausfordernd und wird viel Zeit und Geld kosten. Am Ende aber werden sich diese Vorleistungen nicht nur wirtschaftlich lohnen. Sondern auch für uns als Menschen in einer auf Fortschritt ausgerichteten Gesellschaft. Noch nie war der Purpose unserer Branche so klar erkennbar wie heute: Wir sorgen für eine neue Mobilität – und sichern damit auch unser Leben in Freiheit und Wohlstand.

Ein Mann transportiert auf einem Lasten-eBike ein Kind und bremst scharf, weil ein Skateboard in den Weg rollt.

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