Der Weg vom analogen zum digitalen Autoschlüssel
Abschied von einem Teil Automobilgeschichte
Kein trauriger Abschied: Beim Tech- und Digitalevent „Digital Kindergarten“ in Hamburg trägt Bosch den Autoschlüssel zu Grabe und präsentiert als Nachfolger die Schlüssel-App Perfectly keyless. Ein Nachruf mit optimistischem Ausblick.
Ein warmer Junitag in Hamburg. Vorfreude und knisternde Spannung liegen in der Luft. Tausende Menschen sind im Millerntor-Stadion zusammengekommen, um im Rahmen des Tech- und Digitalevents „Digital Kindergarten“ die Trends von morgen zu entdecken. Doch plötzlich breitet sich Grabesstimmung aus: Alles blickt in Richtung der Stadion-Katakomben, von wo sich schleppend ein Trauerzug nähert. Er zieht an den Rängen der erstaunten Besucher vorbei und weiter in Richtung Tribüne. Die Trauergäste werden von einer Kapelle begleitet, deren Musiker eine klagende Melodie spielen. Es ist eine klassische Jazz-Beerdigung, allerdings nicht auf einem Boulevard in New Orleans, sondern mitten in der Hansestadt.
„Lasst uns Abschied nehmen, von einem alten Freund,“ beginnt ein Mann im Priestergewand die Grabrede, „lasst uns ihm danken für viele unvergessliche Momente in mehr als 100 Jahren.“ Als die Bahre enthüllt wird und darunter ein übergroßer Autoschlüssel zum Vorschein kommt, wird klar, wem Bosch die letzte Ehre erweist.
Schlüsselmomente der letzten 100 Jahre
Tatsächlich hat der Autoschlüssel eine lange Geschichte. Ab 1911 lieferte Bosch erstmals Zündschalter mit einem zugehörigen Schlüssel aus. Steckte dieser nicht im Schloss, konnte man den Zündschalterknauf nicht drehen und der Motor blieb aus. Es war der erste Diebstahlschutz für Autos. Die Innenraumverriegelung kam dann erst in den 1920er Jahren auf. Zuvor hatten die meisten Fahrzeuge kein geschlossenes Dach und damit auch keinen Bedarf an verschließbaren Türen.
Lange Zeit mussten Autobesitzer dann mehrere Schlüssel mit sich herumtragen: einen für die Tür, einen für die Zündung und manchmal noch weitere für Tankdeckel und Kofferraum. Erst ab den 1960er Jahren setzte sich die Kombination aus Tür- und Zündschlüssel durch – der Urahn der heutigen Schließsysteme. Als die Zentralverriegelung Anfang der 1990er populär wurde, erhielt der Fahrzeugschlüssel eine Fernbedienung, die den Schließkomfort weiter erhöhte. Doch auch jetzt änderte sich seine Form kaum, die im Digitalzeitalter recht unhandlich und rückständig wirkt.
Lästiger Begleiter
In seiner Grabrede spricht der Priester deshalb auch die Schattenseiten des Autoschlüssels an. „So richtig smart warst du nie. Vielmehr warst du recht unflexibel und gingst meist im falschen Moment kaputt.“ Wie bei jeder Beerdigung kommen dabei auch Erinnerungen hoch. Wer hat sich nicht schon geärgert, wenn er den Autoschlüssel in der Eile zuhause vergessen hat oder dieser im falschen Moment unauffindbar war? Wie oft nervte er uns, wenn er sich in der Tasche eng an das Handydisplay schmiegte und dann von seiner kratzigen Seite zeigte? Manche älteren Modelle, die man nicht einklappen konnte, stachen sogar Löcher in die Hosentasche. Und ging der Fahrzeugschlüssel verloren, konnte Ersatz teuer werden. Kein Wunder, dass in einer Umfrage des Marktforschungsinstituts PULS im Auftrag von Bosch 76 Prozent der Deutschen angaben, dass sie von ihrem Autoschlüssel durchaus schon genervt waren.
Digitaler Autoschlüssel
Doch das Ende des Autoschlüssels ist für Bosch auch ein neuer Anfang: Als die Zeremonie im Hamburger Stadion ihren emotionalen Tiefpunkt erreicht, wird ein riesiges Smartphone enthüllt. Auf dem Display ist das App-basierte System Perfectly keyless von Bosch zu sehen. „Der Autoschlüssel wird wieder auferstehen. Besser, sicherer, cooler: #LikeABosch“, jubelt der Priester und die Trauergäste stimmen mit ein.
Tatsächlich macht die Schlüssel-App vieles einfacher und komfortabler: Autofahrer können ihr Fahrzeug damit automatisch öffnen, starten und verschließen, sogar ohne dass sie dabei ihr Smartphone in die Hand nehmen müssen. Denn es genügt, dass sie es bei sich tragen. Solche Keyless-Entry-Systeme gibt es schon seit Ende der 90er Jahre. Bisher sendet jedoch der Autoschlüssel ein permanentes Signal, das vom Fahrzeug erkannt wird. Das aber birgt Gefahren: Autodiebe können das Signal des Schlüssels abfangen und mithilfe einer Reichweitenverlängerung zum Auto weiterleiten.
Perfectly keyless von Bosch setzt stattdessen auf das Handy als virtuellen Schlüssel und Bluetooth als Übertragungstechnologie. Dabei kommunizieren die in jedem Smartphone integrierten Mikrochips mit den im Fahrzeug verbauten Sensoren und einem speziellen Steuergerät. Dadurch erkennt das Fahrzeug das Smartphone seines Besitzers so sicher wie einen Fingerabdruck und öffnet sich nur für ihn.
Ist der Handy-Akku leer, kann man das Auto immer noch per Nahfeldkommunikation (NFC) entriegeln, mittels eines Funkstandards für kurze Distanzen. Geht das Smartphone verloren, lässt sich das System zudem sperren. Und auch die Schlüsselübergabe an andere Fahrer funktioniert ganz einfach: Über die App ist es möglich, Familienmitglieder, Freunde oder Kollegen für ein Fahrzeug freizuschalten und deren Zugriff darauf zeitlich zu beschränken.
Perfectly keyless, der digitale Schlüssel für das Auto, öffnet wortwörtlich die Tür in eine bessere Zukunft und macht Schluss mit einem Anhängsel, das viele Menschen im Alltag stört. Die Schlüsselrolle übernimmt künftig das Smartphone, das die meisten ohnehin ständig bei sich tragen. Der Abschied vom physischen Autoschlüssel dürfte also leichtfallen. Aus diesem Grund verwandelt sich die Trauergemeinde am Millerntor schließlich in einen Festumzug, der nicht wehmütig, sondern fröhlich tanzend aus dem Stadion zieht.